Es ist eine echte Schande – kaum ist der letzte Skandal abgeklungen, tauchen dieser Woche schon wieder neue, umso erschreckendere Bilder aus Salzburgs Kuhställen auf. Empathischen Menschen stockt beim Betrachten der furchtbaren Aufnahmen wahrlich der Atem. Es fehlen die Worte. Fest steht, so kann, darf man nicht mit Tieren umgehen. Und es passiert dennoch. Tagtäglich. In einem der reichsten Länder der Union, in einer Region, die sich selbst gerne als besonders natürlich, als Bio-Vorreiter und als ‚Feinkostladen‘ sieht. Und als Tierschutz-Pionier. Doch diese Fotos spiegeln einmal mehr eine andere Realität wieder, und es sind nicht die von der Landwirtschaftskammer und den Behörden viel zitierte ‚Einzelfälle‘ – denn derartige Aufnahmen erreichen in beängstigender Regelmäßigkeit das öffentliche Interesse. Anstatt aber einer solchen ins Auge zu blicken und endlich bei den ‚Schwarzen Schafen‘ rigoros durchzugreifen, verniedlicht man im ‚schönsten Bundesland‘ ständig die Situation und beschimpft ganz nebenbei die Missstände aufdeckenden TierschützerInnen gerne auch noch als Nestbeschmutzer. Die die ‚weiße Weste‘ beflecken. RespekTiere-AktivistInnen halten solche Unterstellungen zwar aus – sie haben den Umgang damit in der harten Schule gelernt – Fakt ist dennoch: Salzburg hat seine einstige Unschuld längst verloren. Auch wenn es das nie zugeben wird. Viel lieber versteckt man sich hinter dem rosa Nebel einer vorgetäuschten Bauernhof-Idylle; auch wenn dahinter die Gespenster wie das ehemalige Hühner-Konzentrationslager in der Aignerstraße, die Kettenschweine von Seekirchen oder die so vermeidbaren Todesfälle von so vielen Kühen bei jenem unverbesserlichen Landwirt, der trotz der offensichtlichsten Tierquälerei tatsächlich immer wieder uns vor Gericht zu zerren versuchte, nicht zur Ruhe kommen… |
Foto: Kuhhaltung 2019… wieviel schlimmer kann es im Mittelalter gewesen sein??? |
Was ist dieses mal passiert? Da stehen Kühe doch tatsächlich über die Hufe in den eigenen Exkrementen. Und dass, obwohl Gülle auf den weitläufigen Wiesen um den Hof gerade frisch ausgebracht worden war (wie hatte es davor wohl im Stall ausgesehen?). Trotz des Überangebotes an saftigen Weiden sind diese Tiere vielleicht noch nie auf grünem Gras gestanden. Denn – Verbot der dauernden Anbindehaltung hin oder her – ins Freie dürfen sie nie; so bezeugen es zumindest verschiedene Nachbarn. Und nicht nur die, auch der Landwirt selbst erzählt davon, dass er keinesfalls das Risiko eingehen wird, den Kühen Freilauf zu gewähren. Nicht zuletzt deshalb, weil es einmal Probleme gab. Weil sie da ausbüxt waren und die Polizei frühmorgens am Hof stand. Was hätte alles passieren können, meint der Bauer. Nein, das Wagnis ist ein nicht kalkulierbares. Bei einem Unfall wo Menschen zu Schaden kämen, jede Versicherung würde aussteigen. Daher lieber an Ketten im Stall, so wie es immer war. Wie es schon sein Vater tat, und wahrscheinlich der Vater des Vaters. Und der Ur-Opa sowieso. Überhaupt, was früher gut war, das wird es bitte doch auch heute noch sein. Oder etwa nicht? Frauen zum Herd, Kinder geohrfeigt, Knechte misshandelt, Müll einfach in der Au oder im Wald entsorgt – würde er all diese Dinge, die in der so oft heraufbeschworenen ‚guten alten Zeit‘ ebenfalls Gang und Gäbe waren, dann auch so selbstverständlich in diese Kategorien einteilen? |
Ja, und die Kettenhaltung verteidigt er dementsprechend; so zum Beispiel wäre der Altbauer aus der Umgebung kürzlich von einem Stier attackiert worden. Nur weil er die Kette lockern wollte. Den Oberschenkel offen gebrochen, Schmutz in der Wunde, blaue Flecken am ganzen Körper. Tot hätte er sein können. Und das, obwohl er den Tieren täglich das Futter bringt. So sind sie eben, die Rinder. Man kann ihnen nie trauen. Glaubt, man kennt sie, und im nächsten Moment passt ihnen irgendetwas nicht und sie fallen über Dich her. Einfach so. Aus dem Nichts heraus. Etwa – Originalzitat! – weil dem Stier am Vortag seine Lieblingskuh genommen, in den Schlachthof gefahren wurde. Eine Nichtigkeit also. Zumindest in den Augen der LandwirtInnen. Denn dass diese vielleicht sein einziger Halt im Leben, DER Lichtblick in ansonsten völliger Finsternis war, solche Gefühle steht man den Kühen nicht zu. Nicht einmal dann, wenn man sein Leben lang mit ihnen gearbeitet hat. Schon irgendwie seltsam. Das wäre so, als ob ich seit 25 Jahren Hunde bei mir hätte, aber nichts dabei fände, sie in schmutzigen Hundehütten an fürchterlich kurze Ketten zu binden. Sie in ihren eigenen Fäkalien vegetieren lasse. Ein Leben lang. Und dann von mir glaube, ich wäre ein Fachmann. Ein Hunde-Guru sozusagen, der die Vierbeiner durchschaut, genau weiß, was sie wollen und brauchen. Keinen Auslauf zum Beispiel, keine Bewegung, das sind alles nur Gefühlsduselein von langhaarigen Hippies. Nur essen muss man ihnen geben, dann passt schon alles. Dafür genügen selbstverständlcih Abfälle. Und wenn ich mal ein paar Tage aufs Wasser vergesse, auch kein Problem. Wehe, wenn aber mal wer anderes sagt, gar von tierlichen ‚Bedürfnissen‘ spricht. Nein, mein(e) Liebe(r), da kenn ich mich wohl besser aus, nach 25 Jahren. Niemand kann und braucht mir da was zu erzählen. |
Foto unten: ist mit diesem Mini-Auslauf, den alibiahalber ein paar Kälbchen benutzen dürfen und der vor Schmutz steht, dem Gesetz zur Beendigung der ‚dauernden Kettenhaltung‘ bereits genüge getan? |
Genauso funktionieren solche LandwirtInnen. Sie wissen es immer besser. Nebenbei, wir, die wir Dinge anders sehen, sollten viel lieber mal was arbeiten gehen, haben sicher noch nie eine Schaufel oder eine Mistgabel in der Hand gehabt. Totschlag-Argument (fassen wir kurz zusammen: die Handhabung von Schaufel und Mistgabel verleiht Einblick in das Seelenleben der Tiere und berechtigt in Folge zu Tierquälerei; oder was sollen wir aus dieser Begründung lernen?). Das Traurige daran ist wohl: ja, natürlich, wie auch immer betrachtet, die LandwirtInnen MÜSSTEN es selbstredend sogar besser wissen. Nach Jahrzehnten der Arbeit mit den Tieren. Das Problem aber: viele Bauern sind ihnen gegenüber nie über das Verhältnis Mensch-Maschine hinausgekommen. Haben sie zwar als lebend, aber doch nur als Bio-Roboter begriffen. Seelenlose Wesen, ein mit Haut und Fleisch und Knochen umgebenes Objekt. Vielleicht konnten sie ja gar keine andere Einstellung zulassen, denn ansonsten wäre allenfalls eine Welt ins Wanken geraten. Jemanden, den man versteht, liefert man nicht mehr so einfach dem Schlachter aus. Eine andere Erklärung – bitte sehen Sie die Bilder nochmals an – lässt sich einfach beim besten Willen nicht finden. |
Ach ja, und dann hören wir das ewige Gerede von ‚Hinschmeißen‘, weil der Bauer heute nicht mehr von dieser Arbeit leben kann. Weil zu wenig bezahlt wird. Derselbe Preis für Rindfleisch wie vor 30 Jahren. Weil die Konkurrenz zu groß ist, vor allem jene aus dem Ausland. Wenn irgendein Spezialsteak aus Argentinien um 27 Euro bei Hofer (der österreichische Aldi, Anm.) verkauft wird, er dasselbe Produkt aber nicht unter 40 anbieten kann, dann läuft etwas gewaltig schief im Land (es sollte nicht unerwähnt bleiben: auf jedem anderen Sektor müssen sich die Gewerbetreibenden den Marktänderungen anpassen, sich dementsprechend umstellen, und das ohne jegliche Förderung. Angebot und Nachfrage regeln den Markt, es ist eine unumstößliche Regel. Nur in der Landwirtschaft werden alte Strukturen künstlich hochgehalten; warum? Wohl, weil die Bauernschaft eine mächtige ist, eine, die sich bestens vernetzt zeigt bis in die höchsten Kreise). Noch dazu, selbst die Tierärztin würde bestätigen, Fleisch aus Argentinien sei eigentlich ein Sonderabfall-Produkt, sollte man niemals essen. Außerdem, bei uns müsste der Bauer mit so vielen Repressalien leben, extreme Tierschutzgesetze würden ihn immer mehr einschränken, TierschützerInnen reden mit – aber wer sorgt sich in Argentinien um den Tierschutz? Niemand! Dort gibt es Farmen mit 30 000 Tieren, glaubt jemand, da wird sich um ein einzelnes gekümmert? Was er aber vergisst: solch riesige Massentierhaltung in Südamerika – und das soll jetzt bitte, bitte keinesfalls als Argument dafür verstanden werden, von dort tierliche Produkte zu beziehen, denn das Problem sitzt selbstredend viel, viel tiefer – geht bei allen schlechten Gesichtspunkten dennoch nur im Freiland. Keine Kette an 365 Tagen im modrigen Verlies. Aber so etwas will man nicht hören; denn im Jammern, da sind wir die wahren Weltmeister und das lassen wir uns nicht durch solche Neumalklugheiten verderben. Selbst wenn sie die Wahrheit sind; oder gerade deswegen. |
Hört man länger zu, glaubt man es fast, das strenge Tierschutzgesetz in Österreich würde die Bauernschaft in die Knie zwingen. Ein weiterer Blick in den Stall lässt aber die Frage hochbrodeln: was zum Teufel redest Du? Tierschutzgesetz? Schau Dir bitte die Tiere in Deiner Obhut an! Sie stehen vor Dreck, sie sind nass vom eigenen Urin und Kot; ihre Bewegungsfreiheit beträgt einige Zentimeter vor und zurück. Ein ganzes Leben auf zwei Quadratmetern gülleüberzogenen Beton. Und da redest Du von den strengen Tierschutzbestimmungen? |
Die andauernden Kontrollen, so der nächste Gedanke. Alleine er würde von vier verschiedenen Stellen überprüft. Von der Behörde sowieso. Statistisch gesehen einmal in 50 Jahren. Also, wenn die schon vor Ort waren als sein Vater noch den Betrieb führte, dann könnte es ihn in 20 oder 25 Jahren tatsächlich wieder einmal treffen… Kontrollen finden auch über die AMA (AgrarMarktAustria) statt, deren ‚Gütesiegel‘ er offensichtlich trägt. Die gerade – siehe Bild – eine eigene Werbung für die eigene Leistung geschaltet hat. Sehr glaubwürdig mit Tierwohl wirbt. Oder etwa nicht? Vier verschiedene Kontrollstellen also – deren KontrollorInnen entweder völlig unfähig oder betriebsblind sein müssen, könnte der Laie beim Anblick unserer Fotos denken. Ja, den Bauern bleibt heute nichts mehr. Sie arbeiten fast schon zum Selbstkostenpreis, manchmal auch darunter. Andererseits, in diesem Falle, es sind 18 Hektar Land, das bewirtschaftet wird. 180 000 Quadratmeter. In Alleinlage. Ein großer Stall. Landwirtschaftliche Fahrzeuge. Ein wunderschönes Bauernhaus, welches ‚außen alt aussieht, aber innen komplett neu gemacht, vom Fußboden bis zur Decke‘ ist. Ein kleines Königreich. Unerreichbarer Besitz, zumindest für den Großteil der ÖsterreicherInnen. Und ja, nach bitterer Armut sieht das dann nicht wirklich aus. |
Skandal im Skandal? Denn, ach ja, die Werbung der AMA (Quelle: www.ama.at), der AgrarMarktAustria, welche nach Landwirten-Angabe den Stall regelmäßig kontrolliert, passt irgendwie so ganz und gar nicht zu diesem Hof… |
Ach ja, um später nicht Raum für Spekulationen zu lassen (etwa ‚die Kühe waren nur deshalb so schmutzig, weil grad in diesem Tag wo die Fotos entstanden sind, dies und jenes ein Saubermachen und Entmisten verhindert hatte‘…), entstanden vier Tage nach den ersten Bilder neue; welche eine unveränderte Situation zeigten… |