Inzwischen hat die Krise derartige Ausmaße angenommen, dass eine Aussicht auf eine ’neue Normalität‘ – so nennt sie unser Bundeskanzler – eisige Schauer über den Rücken laufen lässt. Vorbei scheint es mit grenzenloser Freiheit zu sein, und nicht nur während dieser bitteren Wochen, denn langsam wird mehr und mehr absehbar: viele der aus der Not entstandenen Regelungen werden uns dann auch weiterhin begleiten, mit dem letztendlichen Ziel einer lückenlosen Überwachung der BürgerInnen. |
Was immer auch passiert, unsere Auslandsprojekte laufen natürlich genauso wie gewohnt weiter, obwohl selbstredend an vielen Orten mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Nachdem wir letzte Woche von den Problemen Silvia’s bei ihrer Arbeit für die Katzen in Teneriffa erzählt haben, wird heute Vania, eine unserer ganz besonderne MitstreiterInnen aus Bulgarien, von der neuen Realität in ihrem Land berichten. Vania ist eine unentbehrliche Stütze der Kastrationsprojekte und betreut nebenbei noch unser Projekt ‚Frau Tzenka‘ vor Ort. |
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Fotos: Vania, immer im Einsatz für die Tiere, hier bei den RespekTiere-Kastrationstagen! |
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Vania’s Bericht: Wir alle müssen uns damit abfinden, in der Realität von Covid-19 zu leben. Das bulgarische Parlament hat am 13. März den Ausnahmezustand ausgerufen. Seitdem sind die Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus sehr streng geworden. Am Freitag, dem 20. März, haben die Behörden zwei neue Regeln und Vorschriften eingeführt, welche seither das Leben bestimmen. Spaziergänge in Parks sind ausgesetzt, die Spielplätze sind geschlossen. Menschen dürfen mit ihren Haustieren nur in einiger Entfernung voneinander kurz spazieren gehen. Die Polizei richtete Kontrollpunkte am Eingang der regionalen Städte ein. Sie prüfen dort, ob die jeweiligen Reisegründe dringend sind. Menschen dürfen nur mehr zur Arbeit, zum Arzt bzw. ins Spital oder dann bei der Rückkehr zum Wohnort unterwegs sein. Sie können auch nur mehr mit einem unterschriebenen Dokument des Arbeitgebers zur Arbeit gelangen. |
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Foto: leere Straßen, wohin man blickt; und der Überlebenskampf der Straßenhunde wird noch dramatischer, weil nirgendwo Essbares aufzufinden ist! |
Personen unter 60 Jahren dürfen zwischen 8:30 und 10:30 Uhr keine Supermärkte und Apotheken besuchen. In diesem Intervall können nur Personen ab 60 Jahren einkaufen. Die Maßnahmen sind wirklich sehr streng. Nur Lebensmittel- bzw. Supermärkte sowie Apotheken haben offen. Als die Entscheidung bekanntgegeben wurde, bildeten sich riesige Warteschlangen vor solchen Geschäften. Die Läden, die Tiernahrung verkaufen, arbeiten aber auch, das sind gute Nachrichten. |
Aber nun zu Frau Tzenka! Sie lebt im zentralen Teil des Landes, etwa 15 km von der Regierungsstadt Yambol entfernt. Zur Zeit beherbergt sie etwa 60 Katzen. Wir haben letzte Woche ein Gespräch über die ganze Situation geführt, es war noch nicht so streng und haben auf einige Schritte hingewiesen. Sie schaffte es, einige Waren zu lagern – Katzenfutter, Dosen und etwas Tiefkühlfutter für etwa 2 Wochen. Danach wird sie Nachbarn aus der Stadt bitten müssen, die notwendigen Dinge für sie zu besorgen. Im Frühjahr wurden 8 Kastrationen durchgeführt und diese Woche gibt es einen Termin für eine weitere. Ich hoffe, sie schafft es, den Polizeikontrollpunkt zu passieren und alles ist in Ordnung. |
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Zu ihren täglichen Aktivitäten gehört es, früh morgens aufzustehen, etwas Futter für die Katzen zuzubereiten, dann Pillen zu geben und sich um kranke zu kümmern, dann zu putzen, 1 Stunde auszuruhen und dann wieder Futter zuzubereiten und zu putzen. |
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In Sofia war vor zwei Wochen Frühling mit Sonnenschein und Blumen. Dann folgte eine Woche mit Kälte und Schnee. Jetzt ist wieder der Frühsommer zurückgekehrt. Niemand hat sich jemals vorgestellt, dass wir alle auf eine solche Situation stoßen werden. Ich hörte jemanden sagen: „Wenn wir uns physisch voneinander distanzieren, sollten wir umso mehr daran erinnern, uns geistig nahe zu sein.“, Besonders in dieser Fastenzeit. |
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So sieht die Lage bei Tzenka aus. Noch dramatischer gestaltet sich die Konstellation in Bulgarien in Bezug auf die Straßenhunde. TierschützerInnen berichten von einer Entwicklung, die Furchtbares erahnen lässt. ‚Unsere‘ Rumi – seit rund 15 Jahren RespekTiere in tiefer Freundschaft verbunden, aus der mittlerweile 9 großangelegte Kastrationsprojekte mit über 1 000 Kastrationen hervorgegangen sind – führt selbst ein Hundeasyl. Da dies aber außerhalb ihrer Stadt, Sofia, liegt, darf sie aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht mehr zur Versorgung ihrer Schützlinge ausrücken. Lesen Sie hier ihren aufwühlenden Situationsbericht! |
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Foto: Rumi, rechts, mit Eli in ihrem Hundeheim am Rande der Stadt – der Zutritt für sie ist nun verboten!!! |
Die Situation in Bulgarien ist nicht anders als jene, welche Du von Österreich beschrieben hast. Seit Montag, dem 16. März, arbeite ich von zu Hause aus. Gott sei Dank, mein Job und die Firma geben mir die Möglichkeit dies aus der Ferne zu tun. Aber viele Menschen haben nicht so großes Glück – zum Beispiel wird Lilly (eine Freundin von mir, die auch den Straßentieren hilft) ab dem 1. April in unbezahlten Ferien mit unabsehbarem Ausgang sein. Sie kümmert sich um 11 streunende Hunde. Was mit diesen passiert, wenn sie nichts mehr für die Armen tun kann, das weiß heute noch niemand. |
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Fotos: Rumi, die unentbehrliche Stütze des Kastrationsprojektes |
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Letzte Woche blieb Toni (Rumi’s Mann, Anm.) zu Hause, diese Woche wird er arbeiten. Ein Rhythmus, der sich langsam einspielt. Er und seine Kollegen (Toni hat eine eigene Handwerksfirma) dürfen nur mehr zu zweit oder höchstens zu dritt zu arbeiten (nicht alle zusammen). Im Moment sind sämtliche größeren Städte in Bulgarien praktisch in Quarantäne; Menschen dürfen nur mehr aus schwerwiegenden Gründen wie zum Beispiel um einen dringenden Krankenhaustermin einzuhalten aus dem Haus gehen, oder etwa, wenn sie zur Arbeit müssen. Dann aber brauchen sie ein behördliches Dokument, ausgestellt vom Arzt oder vom Arbeitgeber. |
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Und weil meine Hunde ja außerhalb von Sofia untergebracht sind, dürfen wir sie nicht mehr besuchen. Zum Glück ist die Frau da, die sich während der Arbeitstage um sie kümmert. In den letzten Stunden bevor diese Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden, ist es uns noch gelungen, Hundefutter für ca. einen Monat an den Ort zu bringen … aber jetzt mache ich mir große Sorgen, dass die Krise bis dahin leider nicht zu Ende sein wird… man weiß ja nicht einmal, was in den nächsten Tagen passieren wird … alles ändert sich so schnell. |
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Meine Eltern sind im Dorf und ich kann auch sie nicht besuchen. Das Gute ist, Toni’s Bruder und dessen Familie sind jetzt ebenfalls in dem kleinen Ort. Das ist das einzige, was uns ein bisschen beruhigt. |
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Tom, ich sende Dir eine feste Umarmung und hoffe in nicht allzu ferner Zeit werden wir zusammensitzen und über diese furchtbaren Wochen lachen können… aber die Wahrheit ist, hier in Bulgarien sind wir wohl erst mittendrinnen in den Problemen… wir erwarten, dass in den nächsten zwei oder drei Wochen das Ganze noch mehr Fahrt aufnehmen wird und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich riesige Angst davor… Angst um meine Eltern, um die Tiere… Angst um die Hunde der Leute, die 100, 200, 300 und mehr an einem Platz versorgen, und die es selbst ohne solche unglaublichen zusätzlichen Schwierigkeiten kaum über die Runden zu kommen schaffen … |
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Foto: Foto: das waren noch bessere Zeiten – unser Kastrations-Projekt-Team im Herbst 2019 in Breznik, Bulgarien; Rumi stehend, hinten rechts! |