Bulgarien-Einsatz, Teil 3: Dennoch starteten wir ganz früh von Sofia aus, und eine halbe Stunde später saßen wir auch schon an einem Tisch vor einem kleinen Lokal in der Perniker Innenstadt, um auf unsere MitstreiterInnen zu warten, wo wir dann gemeinsam nochmals den Plan für die kommenden Tage durchzusprechen gedachten. Bald war die Mannschaft vollzählig: Rumi, Vanja, Didi, Toni, alle waren sie gekommen und natürlich Marieta, die begnadete Tierärztin, von welcher wir schon im Vorfeld von den anderen Frauen wahre Wunderdinge über ihre Fähigkeiten auf medizinischem Gebiet gehört hatten. Von leichter Nervosität gepackt doch voller Tatendrang brachen wir schließlich auf, im nahen Billa-Laden waren zudem Hunde-Leckerlis, Trinkbares, Brot, Margarine, Paprika und Tomaten noch schnell zur allgemeinen Stärkung gekauft; endlich, ausgestattet mit nicht zu besiegendem Elan ging es über schlaglochgeplagte Landesstraßen, vorbei an wunderschöner Natur in Richtung Breznik. Fotos: Rumi und ihre wunderhübsche Tochter Rali im Einsatz; rechts: Vanja beim Auslegen der Hundeboxen mit Kartonagen! Der arme staupe-gesundete Svetlo war mit uns mit, ebenso die gestern eingefangene Hündin; im Wissen sofort mit der wartenden Aufgabe beginnen zu können richtete Marieta mit geübten Händen ihren Arbeitsplatz der nächsten Tage zurecht. Leider sollte aber der Tisch viel zu niedrig sein und die ungewohnte Arbeitshöhe würde ihrem Rücken schnell Schwierigkeiten bereiten. Doch sie, ganz Profi, nahm die Dinge wie sie eben waren, ein unerschütterlicher Fels in der Brandung, und allein dafür gebührte ihr bereits zu diesem so frühen Zeitpunkt jegliche Hochachtung. Übrigens hat sie trotz ihres so jugendlichen Äußeren bereits die unbezahlbare Erfahrung von rund 5000 (!!!) derartigen Eingriffen in ihren Händen, jeder Schnitt somit bereits in den Tierarzt-Genen festgesetzt. Ja, wahrscheinlich könnte sie derartige OP’s sogar blind durchführen, antwortete sie auf meine diesbezügliche Frage, und bereits nach kurzer Beobachtung ihrer Fertigkeit blieb nicht der Funke an Zweifel an dieser Feststellung. Foto: Marieta und Vanja beziehen unter dem wachsamen Auge der Behörde den OP-Tisch mit den von der Firma Lohmann und Rauscher gespendeten OP-Unterlagen Während Marieta nun mit dem Kastrieren begann, assistiert von der unverwechselbaren Didi (vertrauen sie meinen Worten, die sehr bald eine neue Stufe in der Elite der veterinärtechnischen Werteskala einnehmen wird), begab sich das restliche Team auf ‚Expedition’; es galt jetzt möglichst viele Hunde möglichst rasch einzufangen, um nur ja keine Wartezeiten für die Ärztin zu provozieren. Die Aufgabe stellte sich allerdings als nicht immer ganz so einfache heraus, sind doch viele der heimatlosen Hunde des Ostens nicht zuletzt durch ‚menschliches’ Zutun sehr, sehr scheu. Dennoch wurden wir bald fündig und konnten mit einer weiteren Hündin – auf deren Geschlecht der Schwerpunkt des Projektes liegen sollte – zur Basis zurückkehren; zumindest für die nächste Stunde also war Marieta ganz sicher nicht arbeitslos, eine sehr erfreuliche Tatsache, welche uns erstmals ein wenig Zeit zum Durchschnaufen gewährte! Fotos: Hundefängerinnen-Profis – im Dienste der guten Sache! Doch Zeit, die war heute nicht als Freund zu uns gegekommen, und im Wimpernschlag des gedachten tat sich ein neues Problem auf – wir konnten im riesigen Saal keine Steckdose für die Schurapparate, welche für die Freilegung der betroffenen Stellen für die OP’s so unersetzliche Dienste leisten musste, finden! Es gab zwar welche irgendwo im Haus, aber bloß in anderen Räumen, wo eine Nutzung einem reibungslosen Arbeitsverlauf widersprach. Also beschloss Rumi in ein 20 km entferntes Dorf zu fahren, wo ihre Mutter in einem kleinen Haus verweilt (um dort auf ehemalige Straßenhunde und –katzen aufzupassen, welche die herzensgute Frau in der Stadt nicht halten würden können! In diesem Wissen nimmt sie dann selbst die räumliche Trennung von ihrem Ehemann ohne einen Gedanken des Nachdenkens darüber zu verschwenden auf sich. Welch eine Familie, mit tiefer imaginärer Verneigung stelle ich das immer wieder auf ein Neues fest). Dort vermutete sie ein entsprechendes Verlängerungskabel, und ihre Annahme bestätigte sich dann auch! Das Dorf mit seinen noch standhaften rund 20 EinwohnerInnen, gleich Asterix‘ unerschütterlicher Festung inmitten Galiens, liegt übrigens völlig abseits vom Strom des Weltgeschehens. So abseits, dass zum Beispiel in den Sommermonaten nur zwei Stunden, jeweils eine in der Früh und eine am Abend, fließendes Wasser zur Verfügung steht! Die jungen Leute sind verständlicherweise allesamt längst weggezogen, die Alten versuchen irgendwie ein Auskommen in beinaher Autonomie, unter nahezu autarken Umständen, zu schaffen. Müde Hände bewältigen längst nicht mehr alle Arbeit und langsam wächst die Natur in das Dorf; letztendlich, tritt nicht das Unvermutete ein, wird sie sich zurückholen was früher sowieso ihr gehört hat… Im Dorf gibt es auch einen Kettenhund, eine Hundedame; deren Halter verbringen den Sommer hier, im Winter, wenn die Zufahrt bis zur endlos entfernten Bundesstraße oft eineinhalb Meter und mehr unter Schnee liegt, ist die Hündin auf sich alleine gestellt – nur ab und dann versorgt von einem gütigen Nachbarn… Bulgarien ist ein hartes Land, für den Menschen, aber ganz besonders für die Tiere!
Die Frau vom Einfamilienhaus rief uns nochmals zu sich, sie meinte, ihr Mann würde im nahen Gewerbegebiet arbeiten und dort würden sich ebenfalls viele, viele Hunde aufhalten. Also führte unser nächster Weg ebendort hin. Tatsächlich gab es ob der mitgebrachten Hunde-Leckereien schnell einen wahren Andrang von hungrigen Tieren, die sich allerdings dann allesamt gekonnt unseren Fallen zu entziehen wussten. Die Arbeiter wollten nun sogar helfen, allerdings war ihre Art dafür eine derart ruppige, welche die Streuner nur noch mehr verunsicherte. Foto: Rumi und Didi bei der Arbeit…
Überall bei den verfallenden Firmen ringsum machten sich nun die riesigen, wunderschönen Herdenschutzhunde bemerkbar, original bulgarischer Rasse, doch selbst die Adelsbestimmung half ihnen nichts, und so fanden sie sich allesamt an kürzesten Ketten gebunden wieder; sie begrüßten uns zwar mit einem angsteinflößenden Bellen aus tiefer Kehle, doch beim Näher kommen stellte sich schnell heraus, sie waren durch die Reihe herzallerliebste Seelen; selbst der gnadenlose Verrat des Menschen, gerade sie, die jahrhunderte lang für die Sicherheit deren Tierherden gesorgt und somit unbestreitbar zum Aufstieg der zweibeinigen Emporkömmlinge beigetragen hatten, dieser Misere auszusetzen, konnte sie nicht davon abbringen, unserer Art dennoch fortwährend mit Liebe und Achtung entgegen zu treten! Tatsächlich genossen sie die Liebkosungen fast noch mehr als das mitgebrachte Futter, und es brach uns das Herz sie in jenem Zustand zu sehen; jede/r einzelne litt an tränenden Augen, ihr Fell völlig verwahrlost, die lange Haare längst zu unentwirrbaren Wollklumpen verformt. Wir erinnerten uns an jene artgleichen Hunde welche wir auf unseren Fahrten durch das Land gesehen hatten, stolze Tiere, Herden von Schafen bewachend, in ihren Aufgaben völlig gebannt, und dann das hier – es ist eine unauslöschliche Schande… Letztendlich rückte auch noch Didi mit uns aus, ihres Zeichens neben dem medizinischen Wissen auch mit einer großen Gabe im Umgang mit Hunden gesegnet, und tatsächlich gelang es ihr bald eine große Hündin in eine Box zu locken; auch ein jüngerer Rüde kam ihr so nahe dass sie ihn schließlich sanft aber bestimmt an sich ziehen konnte, und schon ging es zurück zu Marieta. Mit den beiden Hunden im Wagen kehrte erstmals wirklich etwas Ruhe ein, und so konnten wir in der nächsten halben Stunde der Tierärztin assistieren und bei der Arbeit zusehen, während Vanja nebenbei eine aufgrund der Zugabe von herrlichem sonnengereiften roten, gelben und grünen Gemüse besonders farbenprächtige vegane Mahlzeit zurecht richtete! 🙂
Wir versuchten nun Kontakt zu einer Frau herzustellen, welche in einem der baukastenähnlichen tief hässlichen Wohnblöcke lebte. Welch einen Kontrast sie bilden, die so osttypischen Silobauten, nur wenige Meter zu ihrer Seite beginnen sich nämlich Wälder auszubreiten, deren Grenzen der/die stille BeobachterIn nur erahnen kann! Ungebrochene Natur, der graue Stahlbeton wie ein wucherndes Karzinom in ihren Ausläufen, menschliches Dasein als Eiterherd in offener Wunde… Dort, in gettoähnlichem Umfeld, gibt es dann traditionell die größten Probleme mit den Straßentieren. Natürlich, es sind die vielen Menschen, die zu jeder Tageszeit im Freien, sitzen, plaudern, essen, arbeiten; wo wenn nicht in dieser kleinen Welt in sich fällt überlebenswichtiger organischer Abfall für die Ausgestoßenen der Gesellschaft an! Als Ironie des Schicksal ist jener Ort des Überlebens aber gleichzeitig die größte Todesfalle, denn genau hier kocht die Volksseele oft über – regelrechte Jagten werden dann nach den Hunden veranstaltet, wohl nicht nur in ‚unserer‘ Stadt, in ganz Bulgarien, und ohne Frage auch überall sonst in nicht tierschutz-affinen Staaten haben wir eine derartige Vorgehensweise schon bezeugen müssen… Doch zurück zur vorhin erwähnten Frau: sie soll den Hunden Obdach gewähren, sie immer wieder in den Kellergruften eines der Wohnsilos übernachten lassen, vor allem im furchtbar kalten bulgarischen Winter. Unbeliebt sei sie deshalb, eine Außenseiterin unter Außenseitern – gerade wohl, weil sie sich für die Mehrheit wohl derart unkonventionell verhält. Ein Herz für Hunde? Dafür ist in dieser Welt hier scheinbar kaum Platz, zu sehr steht das Über-die-Runden-kommen einer notleidenden Bevölkerung im Visier. Tierschutz als zarte Pflanze, eine Pflanze, welche in versteinerten Herzen noch keinen Nährboden hat finden können… Wir klopften an besagte Tür, ohne Reaktion. Sie musste aber zu Hause sein, bestätigte ein Nachbar. Der einfache Grund des Nicht-Öffnens: inzwischen sei sie ob der vielen Anfeindungen fast gezwungenermaßen zum Menschenfeind geworden, ungesprächig, kontaktscheu! So versuchten wir die Sache selbst in die Hand zu nehmen, wollten im vermuteten Labyrinth des Kellers nachsehen ob sich dort vielleicht Hunde befanden. Wir entdeckten nur einen, ein schwarz-weißer, völlig scheuer. Er dürfte wie mehrere andere – erinnern Sie sich an Svetlyo – ebenfalls an Staupe erkrankt gewesen sein, einer jener wenigen Prozent, welche die Krankheit irgendwie besiegen hatten gekonnt; jedoch gibt der Virus selbst dann nicht so einfach w/o, er hinterlässt praktisch immer seine vernichtenden Spuren, seine deutliche Handschrift. Im Falle des besagten Straßenhundes wird der Körper von unkontrollierbaren Schüttelanfällen heimgesucht, und sein Schritt ist daher ein äußerst wackeliger. Wie er in diesem Zustand, nun wahrscheinlich das krankheitsinfizierte Feindbild der gesamten BewohnerInnen des Häusermeeres, so lange überleben konnte ist ein Rätsel; bestimmt aber hat er eine eigene Strategie entwickelt, mit dem nur den Hunden eigenen Gespür, sich anbahnenden Konfliktsituationen rechtzeitig entsprechend zu begegnen.
Inzwischen erwachten die erste Hunde auch schon wieder aus der Narkose; es ging ihnen allen hervorragend, dennoch mussten sie als Sicherheitsvorkehrung bis zum nächsten Morgen in ihren Boxen bleiben. Allesamt wurden sie von Didi und Vanja an den Ohren markiert, um sie für alle Menschen im Umfeld sofort ersichtlich als kastriert, geimpft und von Parasiten befreit zu kennzeichnen. Jene archaisch anmutende Maßnahme ist leider unbedingt notwendig, um bei allfällig folgenden Kampagnen bereits kastrierte Hunde von den unkastrierten unterscheiden zu können; sie kann nicht zuletzt sogar über Leben und Tod entscheidend sein, dann nämlich, wenn ein wütender, ob der eigenen Trostlosigkeit zutiefst frustrierter, Mob ausrückt, um vermeintlich krankheitsverbreitenden Straßentieren den Garaus zu machen… Rumi, unermüdlich wie eh und je, Didi, Rali (Rumi’s 11-jährige Tochter, welche inzwischen ganz allein mit dem Bus aus Sofia gekommen war – sie wollte unbedingt mithelfen 🙂 ) und ich stießen nun auf einen völlig heruntergekommen Bauernhof; schon der erste Anblick ließ erahnen, dass wir hier fündig werden würden – und tatsächlich, an jedem Eck des zerschlissenen Gehöfts schien ein Hund zu sitzen, zu lebenslanger Kettenhaft gezwungen! Zu bloßen Aufpassern verurteilt, ihres eigenen Lebens bestohlen, um ‚Nutz’tier-Diebe vom Gut abzuhalten… Die Bäuerin kam, und erneut bewahrheitet sich eine Grundregel: es ist einfach auf jemanden zu schimpfen, der/die in der Anonymität versteckt ist; völlig anders verhält sich die Situation, wenn man den konkreten Personen plötzlich gegenübersteht, an deren Leben wenn auch nur für Momente, teilnimmt; erahnen kann, was sie bewegt, die hässliche Fratze des innernen Dämonen, der sie unaufhörlich quält, in Ansätzen erkennt. Obwohl der Tatbestand der selbige bleibt, wird sich die angestaute Wut, ja sogar Aggressivität, plötzlich teilweise auflösen – zumindest ich ‚leide‘ unter diesen Symptomen – weil nun andere Dinge zum Tragen kommen. Ja, Sie haben völlig recht, nichts, aber auch gar nichts kann als Ausrede für eine Schlechtbehandlung Wehrloser dienen, aber wir wissen andererseits von der unfassbaren Kraft festgefahrener Verhaltensweisen, oft über Generationen schier unentfernbar anerzogen… Nur mit ganz viel Feingefühl lässt sich diese Verstrickung – und selbst dann nur von minderer Wahrscheinlichkeit getragen – mit großen Anstrengungen über die Jahre hinweg lösen, und viel zu oft wohl überhaupt nicht mehr. Was in solchem Falle bleibt, ist für die hilflos Ausgelieferten wenigstens Erleichterung zu schaffen. Tatsächlich gelang es Didi die Frau zur Mitgabe von zwei Hündinnen zu überreden; der Altbauer selbst, er erschien später kurz, offensichtlich in etwas benommenen Zustand aufgrund der angenommenen Einnahme alkoholhaltiger Substanzen, war mit der Entscheidung der Gattin offensichtlich nicht wirklich einverstanden. Es zeugte von großem Mut dass sich die Bäuerin dennoch durchsetzte; ja, sie erklärte sich sogar dazu bereit, mir, dem vermeintlich österreichischen Bauern, das Gut zu zeigen! So sahen wir dann Schweine in Buchtenhaltung – aber wenigstens im (schattigen) Freien, Kälber im Stall – die Kühe selbst waren zum Zeitpunkt unseres Besuches auf der Weide – 50 Masthühner im Freilauf, einen Erpel und dutzende Katzen – wo wir dann ebenfalls eine einfangen durften, welche später auf Rali’s Schoß Platz für die kurze Autofahrt nahm. Die Landwirtin zeigte sich stolz auf den Besitz, erfahre ich von Didi, und all der Schmutz ringsum, den sieht sie bestimmt nach so vielen Jahren der Gewöhnung nicht mehr wirklich; und – betrachtet man die Wohn- und Lebensverhältnisse ringsum, so hat ihre Familie selbst in größten Krisenzeiten wenigstens immer zu essen; so wird sie die Situation auffassen, nicht anders… nun kam auch der Sohn, ein beleibter junger Mann, und auch der verhielt sich ähnlich abweisend wie sein Vater, nährt ihn doch selbiger Genpool… Wir verabschiedeten uns dann höflich; offensichtlich mochte uns die Bäuerin, denn sie meinte, wenn wir morgen die Hunde zurück bringen, dann könnten wir auch die Kühe sehen, die vormittags zwecks Melken im Stall sein würden. Während eine der Hündinnen, eine eigentlich wunderschöne, jedoch völlig verwahrloste, gegen die bloß ausgetauschte Gefangenschaft verständlicherweise protestierte, war die andere offensichtlich erleichtert von jenem Ort, der ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und leider auch ihre Zukunft derart in Beschlag genommen hat, wegzukommen – selbst die kleine Transportbox schien ihr eine bessere Option als das Dasein hier… Fotos: Normalität in einem Land, wo der Stellenwert des Tierschutzes noch nicht definiert worden ist… Zurück im Stadtareal erwartete uns ein böser Schock: es gab Komplikationen während der OP einer Hündin, hervorgerufen durch eine Mißbildung der inneren Organe. Marieta meinte, ihre nächste Schwangerschaft hätte unweigerlich zu großen Problemen geführt, zu derart massiven, welche letztendlich ihre Bestimmung im Tod von Mutter und Kindern gefunden hätten! Die Arme blutete nun stark, und tatsächlich kämpfte sie um ihr Leben. Mit banger Mine verfolgten wir die Geschehnisse, jeder Atemzug mit Bedacht, um nur ja keinen Laut von uns zu geben, welcher die Konzentration der Ärztin stören hätte können. Rumi regierte als erste, startete sofort in die 30 km entfernte Stadt um spezielle Medikamente zu bekommen, Blutstopper, welche die hiesige Apotheke trotz ihrer Wichtigkeit leider nicht im Angebot haben sollte. Während Marieta mit der aus unbezahlbarer Erfahrung resultierenden Sicherheit der Herausforderung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln begegnete, unterstützt von Didi, versuchte sich der Rest des Teams mit allfälligen Arbeiten abzulenken. Immer wieder stabilisierte die Ärztin den Zustand, kontrollierte jede Entwicklung, in Fakt sah sie diese voraus, und ihre begnadeten Hände vollführten wahre Wunder; letztendlich gab es nach bedrückenden Momenten schließlich erste Entwarnung, und zu später Stunde sogar eine Versicherung: die Hündin würde es schaffen! Wir platzierten sie nun in der größten zur Verfügung stehenden Box, eine Nadel in der Vene versorgte sie mit lebensrettender Flüssigkeit, die langsam durch die so kalt wirkenden Schläuche tropfte. Die Zusicherung der Ärztin beruhigte uns, zumindest für den Augenblick, aber deren leicht fragender Blick und die nicht weichen wollenden Sorgenfalte auf ihrer Stirn ließen dennoch eine bedrückende Schwere auf unseren Seelen zurück; es würde wohl eine schlaflose Nacht werden, im Bangen um den Gesundheitszustand, wo wir dann nicht mehr eingreifen konnten – so viel stand fest! Fotos: Marieta und Didi leisten Großartiges; tatsächlich waren wir alle in tiefster Sorge um die Hündin… Die gesamte Mannschaft, an vorderster Front Rali, versorgte tagsüber unsere beiden Säuglinge, die kleine Hündin und den Kater Bobo. Beide schienen sich langsam an die Flaschennahrung zu gewöhnen, vor allem das Katcherchen konnte bald gar nicht genug von ihr und menschlicher Nähe bekommen. Es gab nun aber eine Wendung des Schicksals, denn von Kindern hatten wir gehört, es gäbe eine Schar von Welpen unweit der Fundstelle der Babyhündin, und diese wollten wir uns ansehen – vielleicht handelte es sich dabei doch tatsächlich um die Geschwister unseres Schützlings?
Auch der nächste Tag, er begann wieder ganz früh morgens, war dann geprägt von selbigen Schicksalen und Mühen. Unser erster Gedanke jedoch galt selbstverständlich der armen Hündin, deren OP so unerwartete Probleme aufgeworfen hatte. Es sei vorweg genommen, die Sorgen waren unbegründet, und beim Anblick der wiedergenesenen Mutter fielen wir uns freudestrahlend in die Arme – Marieta, die Heldin der Stunde! Mit einem derartigen Beginn, da musste der Tag doch ein ganz wunderbarer werden! Und wurde er schließlich auch; alle Operationen verliefen ohne Schwierigkeiten, wir brachten sämtliche am Tag zuvor operierten Hunde sicher an ihre Plätze zurück und selbst die StadtbehördenvertreterInnen zeigten sich langsam von unserer Arbeit begeistert und mehr als zufrieden! Die Roma-Frau von gestern holte ihre Hündin ab, bekam als Geschenk Hundefutter mit sich – und erschien prompt während des Tages nochmals, um die Ration aufzufrischen, da es ihrem Schützling ‚nur mit diesem Futter gut geht‘! 🙂 Eine Hundemutter brachten wir zu jener staatlichen Einrichtung zurück, wo wir sie gestern entnommen hatten und in deren Umfeld sie seit Jahren wohnt; die Tochter der Hündin begrüßte sie unfassbar liebevoll, mit Küssen und andauernden Liebkosungen; es fiel uns schwer, aber dennoch musste es sein: mit viel Geschick gelang es uns schließlich auch sie einzufangen, die junge Hündin inzwischen gut ein Jahr alt, musste doch ebenfalls kastriert werden! Nicht so viel Glück hatten wir mit einer Hündin im Stadtkern, wo wir von PassantInnen erfuhren, sie wäre schon mindestens 10 Jahre alt und pünktlich wie die Uhr würde sie jedes Jahr aufs Neue Welpen zur Welt bringen. Tatsächlich fanden wir die jetzigen Kleinen gut versteckt in einem verfallenen Haus, doch die Mutter gelang es nicht zu fangen. Sie, die ihr ganzes Leben unter Menschen – die sie sogar regelmäßig füttern – verbracht hat, war nämlich dennoch so scheu und zurückhaltend, dass selbst das Aufgebot aller unserer Tricks nichts nützte – am späten Nachmittag mussten wir den ehrgeizigen Versuch abbrechen, hatten wir doch möglichst viele der Tiere einzufangen, die Zeit als größten Gegner… Wir brachten die beiden Hündinnen auf den Bauernhof zurück; ganz schweren Herzens übergaben wir sie der Bäuerin, die sie sofort wieder auf ihren Plätzen fixierte. Besonders jene, welche gestern so erleichtert schien vom Hof wegzukommen, weinte dabei kläglich… Wir redeten auf die Frau ein die BewacherInnen doch wenigstens für ein paar Stunden täglich frei zu lassen – beim nächsten Einsatz in wenigen Monaten werden wir sehen ob der Zuspruch Früchte getragen hat. Die Bäuerin kam dann ganz von selbst ihrem gestrigen Versprechen nach, sie zeigte uns nun die Kühe im völlig verschmutzten Stall, wo sie gerade gemolken wurden. Der Sohn präsentierte sich uns gegenüber erneut betont unfreundlich, stattdessen winkten uns zwei sonnenverbrannte Arbeiter fröhlich zu. Als wir uns schließlich verabschiedeten brachte uns die Frau 2 Liter frisch gemolkene Milch, welche wir unbedingt annehmen mussten, erklärt Didi (wir bringen die Milch später verdünnt zu den verschieden Welpen); jede Verneinung wäre eine Beleidigung gewesen. Wir wurden auch noch eingeladen wieder zu kommen, beim nächsten Mal wird sie uns selbstgemachten Käse schenken – obwohl die Leute wenig haben, teilen sie dieses mit völlig Fremden; würden sie jene Gutherzigkeit doch auch in wenigstens kleinen Teilen auf die Tiere ausdehnen, wie großartig wäre das… Am späten Nachmittag wurden wir von Kindern auf eine Gruppe von Welpen aufmerksam gemacht, von deren Mutter unter einem Stiegenaufgang platziert. Dort, auf zusammengefaltenen Kleiderlumpen, lagen sie, fünf allerliebste kleine Hundeleben. Und ein erster Blick auf die Kleinen bestätigte: sie sahen genau gleich aus wie ‚unser‘ Baby, selbe Größe, selbes Alter, selbes unverwechselbares Gesicht… wir hatten sie tatsächlich gefunden, die Familie des Säuglings! Schweren Herzens, immer die Warnung der Tierärztin in den Ohren, dass derart junge Welpen wenn von Menschen mit Flaschennahunrg aufgezogen fast immer ihre fünfte Woche auf Grund von nicht vorhandenen Abwehrkräften erleben, legten wir die Süße zu ihren Brüdern und Schwestern, wo sie sich dann sofort unter der Wärme der Geschwister versteckte… Die Uhr zeigte wieder nach 20 Uhr, als wir schließlich zusammenpackten; die stolze Bilanz: 22 Hunde konnten wir einfangen und kastrieren, und das beim ersten Antreten in einer für uns völlig neuen Stadt, unter völlig neuen Bedingungen! Die Summe lässt Gutes für den nächsten Einsatz erwarten, der unweigerlich in wenigen Monaten folgen wird, folgen muss! Von drei weiteren Einzelschicksalen möchten wir Ihnen noch erzählen, in der Hoffnung, Sie werden vielleicht weiter helfen können…
Fotos: vom Einfangen bis zum Transport, OP und Freilassung… Alle zusammen fuhren wir schließlich wieder zu Toni; dort waren auch andere TierschützerInnen bereits zugegen, solche, die ich – apropos ‚kleine Welt‘ – ebenfalls von verschiedenen Transporten bereits kannte! Wir liesen die dortigen Heimhunde laufen, Didi erklärte mir das Schicksal einiger, und ich versprach wir werden versuchen neue zu Hause für zumindest ein paar davon zu finden. Dann galt es sich zu verabschieden, wir würden Marieta, die Künstlerin, die Virtuosin auf ihrem Gebiet, morgen nicht mehr treffen! Mit ganz fester Umarmung versicherten wir uns allerdings ein baldiges Wiedersehen, zu einem neuerlich unfassbar wichtigen Einsatz…. Foto: Toni’s wunderschönes Asyl am Stadtrand… Trotz der Frühe der Stunde sind wir am nächsten Tag, der viel zu schnell nach viel zu kurzer Nachtruhe beginnt, alsbald wieder voll im Einsatz; während Vanja, Rali und Rumi die Hundeboxen zu reinigen beginnen, brechen Didi und ich auf die kastrierten Hunde wieder an ihren angestammten Platz rückzubringen. Dann gilt es den Raum selbst in den Originalzustand zu versetzen, und ich glaube, wir haben darin nicht nur Erfolg, wir verbessern seinen Zustand sogar – buchstäblich so sauber dass man vom Boden essen kann verlassen wir die Stätte des letztendlich so erfolgreichen Projektes gegen 10 Uhr vormittags endgültig; der eigentliche Fahrer der Hundeboxen sagt kurzfristig ab, aber irgendwie schafft es Didi ihren Vater zu überreden diesen Job zu übernehmen. Mit festen Händedruck und einer warmherzigen Umarmung verabschieden wir uns von Frau Videnova, jener Dame, welche das Projekt von Seiten der Behörde aus bis zuletzt unterstützt hatte – wir werden wiederkommen, keine Frage! Dann geht es zum Flughafen, und einmal mehr, durch den explodierenden Verkehr in der Großstadt bedingt, erreiche ich erst wenige Minuten vor der angekündigten ‚Deadline‘ mit Müh und Not das Abflug-Gate; die Eile hat auch ihr Gutes, nämlich dass durch den geballten Stress der Abschied ein schneller, daher weniger schmerzvoller ist… diese TierschützerInnen hier, sie sind uns in den wenigen Tagen derart ans Herz gewachsen, als ob wir seit jeher eine große Familie dargestellt hätten – und vielleicht sind wir das auch, eine große, tatkräftige Familie, welche in kommenden Jahren noch sehr viel Gutes an jenen Orten erreichen wird können – so Gott will! Erst im Flugzeug, nun langsam zur Ruhe kommend, beginnt das angestrengte Gehirn das Geschehen so richtig zu verarbeiten, und bald wird die um sich greifende bleierne Müdigkeit von einem bangen Gefühl des Verlustes begleitet… es ist der Verlust der Nähe zu Freundinnen, ohne die diese Welt ein ganz wesentlich ärmerer Platz wäre…
Ein Projekt geht zu Ende, welches ohne Ihre Hilfe nicht möglich gewesen wäre, und ganz sicher auch nicht ohne den so großartigen Einsatz von Rumi, Marieta, Vanja, Rali, Toni und Didi. Im Wissen um die unfassbare Qualität dieses erprobten Temas blicken wir in eine arbeitsreiche, aber letztendlich hoffentlich höchst erfolgreiche Zukunft…aber warum Sorgen machen? Denn, was eigentlich soll, umgeben von so großartigen Menschen, dabei auch schief gehen können?! Ein ganz spezieller Dank geht an dieser Stelle nochmals an den Herrn Beiskammer aus Egglsberg, der mit seiner Spende mitgeholfen hat viele hungrige Menschen satt zu bekommen (lesen Sie dazu bitte den vorangegangenen Newsletter auf unserer Homepage), der Kinderaugen zum Leuchten brachte, sowie an die immer präsente Protected Group (www.protected-group.com) rund um Herrn Johann und Frau Monika Mittl, und wo die unfassbar wundervolle Frau Monika Maier eine Prämie für ihr 30-jähriges Firmenjubiläum dazu nutzte um tatkräftigst mitzuhelfen dieses einmalige Projekt umzusetzen – wir verneigen uns in tiefer Hochachtung!!! Unser ganzer Dank gilt dann auch dem Walser Futterhausteam um Filialleiter Ante Kovacievic, welches uns einmal mehr ermöglichte, für ganz, ganz viele Hunde volle Mägen zu garantieren (fh7022@dasfutterhaus.at), sowie dem Verbandsartikelhersteller Lohmann und Rauscher (www.lohmann-rauscher.com), welche alle unsere Einsätze mit großzügigen Sendungen von medizinischem Material begleitet! Foto unten: das Bulgarien-Einsatzteam bedankt sich vom ganzen Herzen für Ihre Unterstützung (v.l.n.r die so süße Rali mit dem kleinen Hübschen; Marieta, die Begnadete, mit ihrem Liebling; Tom mit Fox, die ebenfalls nach Österreich kommen wird; Didi, die angehend weltbeste Tierärztin; Vanja, ohne deren unermüdlichen Einsatz wir das Projekt nicht umsetzen hätten können; Rumi, die sowieso Fantastische!!!
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