Wir sind wieder zurück! Rumänien, die Reise – Teil 1!

Die Sonne sandte heute ihre ersten warmen Strahlen seit langer, langer Zeit gen Erde, fast zärtlich berührten sie mich und streichelten dabei mein Gesicht mit der ihnen eigenen so wohltuenden Sänfte; ich presste mein Antlitz gegen die Scheibe des Busses, um ein Maximum ihrer Aufmerksamkeit zu ergattern, so viel wie möglich Energie zu erhaschen. Wie ein leerer Akku, der nach Wochen und Monaten des Dahindarbens, umgarnt vom Verlangen nach Licht und Wärme, sich nun endlich in der Aussicht befindend die Zellen erneut mit Kraft zu versorgen.

Im eher gemächlichen Tempo bewegten wir uns auf der Ostautobahn in Richtung Budapest, unser voll beladener Bus brummte trotz des Gewichtes eines zusätzlichen Anhängers und der Bürde einer kürzlichen Reparatur voller Lebenslust, jeder Millimeter Freiraum im Fahrzeug ausgenützt mit helfender Ware, selbst die Füße gelagert auf Säcken von Hundefutter.

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Foto: respekTIERE IN NOT im Einsatz; Gerald, Tom und Gitti vor dem voll beladenen Bus samt Anhänger!

Wir waren wieder einmal unterwegs nach Rumänien, unser auserkorens Ziel hieß Temesuara, ihres Zeichens die zweitgrößte Stadt des Landes und die Metropole des Bezirkes Timis; mit uns zusammen sollten Gitti und Gerald die lange Fahrt auf sich nehmen, jenes herzensgute Paar aus der Nähe von Salzburg, welches die respekTIERE IN NOT-Idee schon vor langer Zeit aufgegriffen hatten und nun auch schon zum wiederholten Male in den Karparten-Staat unterwegs war. Die Beiden sind nebenbei MeisterInnen im Auftreiben von Hilfsgütern, so auch dieses Mal – mit im Laderaum hatten Dutzende zum Teil ganz neue Schultaschen, viele, viele Krücken und Gehilfen, ja sogar Leibstühle und ein Rollstuhl, 7 Overhead-Projektoren, dazu ganze Kartonagen prall gefüllt mit medizinischem Material, eine riesige Auswahl an Krankenhausausstattung inklusive Windeln für Erwachsene, sowie Säcke voller Kleidung, Kinderspielzeug und andere Dinge des täglichen Bedarfs Platz gefunden; selbst die Möglichkeiten des Daches sollte zu 100 % ausgenützt sein, 14 Rollatoren präsentieren sich fein säuberlich und mit großer Vorsicht an das Eisengestänge der Dachreeling geknüpft; ja, sogar der Innenraum der Fahrerkabine, für drei Menschen ohnehin schon eng bemessen, war wohl genützt, wie schon erwähnt fanden unsere Füße nur mehr Platz auf Säcken von Hundefutter! Die Tatsache, all diese Güter in den Laderäumen verstaut zu haben, erfüllte uns mit großer Freude – so viele wunderbare Gegenstände, noch dazu derart notwendige; das Motto von respekTIERE IN NOT, Tierschutz ist im besten Falle immer auch Menschenhilfe, umgesetzt in Reinkultur!

Am frühen Nachmittag bewegten wir uns mit scheinbarer Leichtigkeit bereits durch die ungarischen Tiefebenen, vorbei an einer Hundertschaft von Tier-Konzentrationslagern, viele davon von den Elementen zerfressen, stumme Zeugen einer schrecklichen Vergangenheit; aber leider auch neu errichtete, aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt stehen sie nun dort entlang der modernen Highways, Wahrzeichen einer übersatten Gesellschaft gleich, Mahnmäler für etwaige BesucherInnen einer fremden Welt, ein Fingerzeig, wie grausam jenes Wesen, welches sich im Anflug von Blasphemie nur allzu gerne als ‚der Schöpfung höchster Stufe’ sieht, sein kann…

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Fotos: das Straßenhundeproblem hat Rumänien leider nach wie vor fest im Griff; links ein kleiner Ort, rechts fünf wunderschöne Welpen, die dem Himmel sei Dank vom wunderbaren Rudi der Caritas mitversorgt werden!

Trotz der schweren Ladung und der Bürde des zusätzlichen Anhängers bewegt sich der Nissan mit der Behändigkeit eines Tigers, die doch nur 90 Pferdestärken des Motors hantieren mit dem Gewicht mehrerer Tonnen mit überraschender Leichtigkeit.
Wir finden wir uns wieder gebannt in Gesprächen, diesmal fast ohne Zeitdruck, im Gegenteil, im Moment ist sie uns zum Freund geworden; am Übergang ins Karpatenland allerdings werden wir jäh aus den nahezu melancholischen Erinnerungen und Erzählungen unserer Vergangenheit gerissen, zurückgeführt in die Realität des Daseins – uniformierte Beamte, gefangen in längst verloren geglaubter Cheausescu-Manier, im Befehlston des Regimes, kommandieren sie uns in fast unerträglichem Maße; sie sind wohl noch nicht angekommen im dritten Jahrtausend, noch immer Anhänger von dem Himmel sei Dank völlig veralteten Strukturen. Papiere wollen sie sehen, Zertifikate für die Ladung, aber mit einer unverschämten Überheblichkeit, die uns prompt Zornesröte ins Gesicht zaubert. Selbst die monotone Wiederholung von ‚Hilfslieferung Caritas’ (Tierhilfstransport wollen derartige Zivilversager dann schon gar nicht gelten lassen) lässt sie völlig unbeeindruckt zurück. So viel zum freien Warenverkehr in der Union…

Nach langen Minuten und sehr viel Ärger dürfen wir dann allerdings doch weiterfahren. Die Charme von Gitti war wohl verantwortlich hierfür, wir beiden Männer hätten den anderen Weg gewählt, jener der Konfrontation, welcher uns wohl unzweifelhaft geradewegs in Schwierigkeiten geführt haben würde.

Die Sonne zieht sich nun langsam hinter den Horizont zurück; die Schwärze der Nacht beginnt wie die Schatten einer fremden Macht das Firmament zu überziehen, mit fast beängstigender Schnelle verwandeln sie die Leichtigkeit des langsam sterbenden Tages in eine bleierne Schwere. Dennoch, wir sind gut in der Zeit, und gegen 8 Uhr Abends erreichen wir unseren Bestimmungsort, das wunderbare Kloster des Pater Bernos und seiner Getreuen!

Frau Doinar, die gute Seele des Ordens, eine Schaltzentrale und unersetzliche Koordinatorin mannigfaltiger Aufgaben, empfängt uns mit der ihr eigenen Herzensgüte und nur Minuten später finden wir uns wieder eingekuschelt in die wohlige Geborgenheit der wärmenden Bettdecken, gut behütet hinter klösterlichen Mauern.

Früh am nächsten Morgen weckt uns das nervige Geklingel des mobilen Weckers im Telefon; bald darauf sitzen wir, den Schlaf noch immer in den Augen, auch schon im Gesellschaftsraum der Gemeinschaft, wo bereits mehrere Personen, KlosterbesucherInnen wie Priester und  Schwestern, sich zum morgigen Ritual zusammengefunden haben; dampfender wohlriechender Kaffe füllt die Tassen, dazu gibt es wunderbares österreichisches (!!!) Brot und herrliche Marmeladen.

Nach einem langen Gespräch mit Frau Doinar und dem Ausladen des meisten des mitgebrachten Hundefutters, gut 300 Kilo, hat uns schnell die Eile wieder; wir werden dringend erwartet, der Bestimmungsort der übrigen Ware ist das kleinen Nadrak, wo die Caritas ein Zentrum errichtet hat und wo jede Hilfe dringend benötigt wird. Nadrak liegt buchstäblich am Ende der Straße, am Beginn der südlichen Karpaten, in einer Sackgasse der menschlichen Zivilisation – wie wir sehr bald herausfinden sollten, wohl auch in einer Sackgasse des Lebens…

Die Fahrt dauert eine gute Stunde, und schon unweit von Temesuara wird das Land menschenleerer; bald durchstreifen nur mehr Hirten mit ihren Schafherden als Beweiß menschlicher Existenz die Umgebung. Es geht durch ein wunderschönes Tal, allerdings ist der sich durch die Schluchten drängelnde Fluss ein Zeuge einer implodierenden humanen Welt – an jeder Biegung verfängt sich Zivilisationsmüll, stört den ansonst so natürlichen Eindruck ganz gewaltig. Ja, lässt sogar Resignation aufkommen, zumindest Bedrücktheit.

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Fotos: wunderschöne Natur, leider von Zivilisationsmüll gepeinigt; Rechts: Abfall wird viel zu oft einfach verbrannt…

Nadrak, der Inbegriff der Vergänglichkeit; unter dem Regime zur Blüte gebracht, mit riesigen Firmen ausgestattet, Arbeit für jedermann/frau; doch diese Zeiten sind längst vorbei, heute präsentiert sich die Ortschaft als verfallendes Gerippe einer längst vergessenen Ideologie. Die allermeisten Bauten gebrochen, so wie der Lebensgeist; eine Welt aus kaputten Glasfenstern, zerbröckelndem Mauerwerk, vermoderndem Holz und vom Leben gezeichneten Menschen bewohnt, erinnert an den Turmbau zu Babel; am Ende bleibt nicht einmal die Hoffnung, und so sind aus den fast 3 000 EinwohnerInnen der Hochzeit inzwischen unter 700 geworden, und die verbliebene Bevölkerung setzt sich zudem zum überwiegenden Teil aus entweder ganz alten oder ganz jungen Menschen zusammen. Die mittlere Schicht ist weggezogen, versucht das Glück außerhalb, meist in Westeuropa. Die Kinder sind zurückgeblieben bei den Großeltern, vergessenen Seelen gleichend suchen sie in den Nebenstraßen und auf verfallenden Spielplätzen nach ein klein wenig Abwechslung, versuchen der Triste des Alltages ein klein bisschen Normalität abzutrotzen. Hunde finden sich zudem an allen Ecken,  im Sommer, so erzählen Gitte und Gerald (die beiden haben bei ihren letzten Fahrten bereits den Ort besucht), sollen es ihrer noch viel mehr sein; warum es nun nicht ganz so viele sind? Wohl weil ein Großteil der Population, missachtet von den allermeisten Menschen, der gnadenlosen Härte des Winters nichts entgegen zu setzen hat…

Wir erreichen das Caritas-Zentrum; es ist ein eher bescheidenes Gebäude, allerdings erfüllt von Menschlichkeit und Herzenswärme; in dicken Lettern prangen die Hilfszeichen der kirchlichen Organisation an den zernagten Wänden, und Rudolf, der 66-jährige Leiter der Mission, empfängt uns mit einer Umarmung, welche an Innigkeit nicht zu überbieten ist. Zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn führt er die – wir werden es später eindrücklich erfahren – so wichtige Institution. Sogleich führt der mit seiner Fröhlichkeit Ansteckende uns durch die Räumlichkeiten, wir sehen Bettenlager und Waschräume für gut 30 Kinder, welche immer wieder zur Erholung hierher in die beruhigende Atmosphäre der Berge gesendet werden – allesamt Angehörige der besonders armen Bevölkerungsschichten. Es gibt Schwesternzimmer, Gemeinschaftsräume, sogar eine neu errichtete Solaranlage für Heizung und Warmwasser – voller Stolz zeigt uns Rudi diesen Zeugen der Modernität, den Anschluss an die Welt ‚da draußen’; bis zu 70 Prozent des täglichen Bedarfs können durch Sonnenenergie gedeckt werden – ein Wert, der wohl viele unserer Gesellschaften mit blankem Neid erfüllen wird!

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Foto: Nadrak, wie es lebt und langsam stirbt…

In der Küche wird bereits fleißig gearbeitet; Rudis Frau schneidet Gemüse, zwei weitere Damen sind mit dem Kochen von Suppe und dem Zubereiten der Hauptgerichte beschäftigt; 80 Seelen werden von hier aus tagtäglich versorgt, erklärt Rudi, 40 alte Menschen und 40 Kinder; fast 15 Prozent der Angehörigen des Ortes, schießt uns durch den Kopf, finden hier überlebensnotwendige Unterstützung!

Tatsächlich erscheinen bald die ersten Frauen, warten geduldig am Eingang der Küche und bekommen schnell Becher und Schüsseln gefüllt mit noch heißen Menüs. Die Menschen erzählen von ihren Schicksalen, davon, dass sie nun nach einem Leben voller Mühen und harter Arbeit oft nur 80, 90 Euro Pension bekommen, viel zu wenig um zu leben, einen Hauch zu viel um zu sterben…

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Fotos: Rudis Frau beim Kochen für die Armen; rechts: Gerald verteilt unter den Straßenhunden Schmeicheleinheiten. Unten: beim Austragen der Essensrationen, rechts: von den Elementen zerfressene Stadt

Marius, der unglaublich nette Sohn von Rudi, ein Abbild seines Vaters in punkto Herzlichkeit, macht sich bereit für seinen täglichen Rundgang; jenen Menschen, die zu krank oder zu schwach, zu alt, sind, um sich selbst das Essen abzuholen, bringt er die Nahrung ins Haus. Er möchte von uns begleitet werden, und wir sind natürlich sofort bereit dazu; eine Entscheidung, welche uns letztendlich erneut erden sollte, die einen gar schmerzlichen Aufprall in die Realität verursachen wird…

Gerald und ich beladen uns also mit den Taschen voller Köstlichkeiten, und dann beginnt der lange Fußmarsch durch die Ortschaft; vorbei ein zerborstenen Gebäuden, über kaputte Steinpflasterungen hinweg, leer stehende Liegenschaften, chancenlos unterlegen dem Rückeroberungsfeldzug der Natur; überall finden sich Hunde, auch in den ärmlichen Innenhöfen der noch ärmlicheren Häusern, meist aber wenigstens in ganz gutem Befinden, dennoch offensichtlich gebeutelt von der Härte des Daseins, genau wie ihre menschlichen MitbewohnerInnen.

Wir geben erste Mittagessen ab, die EmpfängerInnen von Tränen der Rührung, aber auch der Scham gezeichnet; nun, im Herbst ihres Lebens, nach einem Dasein voller Entbehrungen und erfüllt von knochenharter Arbeit, sind sie angewiesen auf solche Unterstützung, ansonsten müssten sie hungern, vielleicht sogar verhungern – inmitten der europäischen Union, des vielleicht reichsten Handelsmarktes des Globusses…

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Foto: Sackgasse ins Leben…

Eine Frau empfängt uns, wir hören von ihrem Witwendasein, die Kinder längst fortgezogen, wie sie ganz allein ihre Existenz bestreitet, vom Staat mit fast peinlichen Almosen ausgestattet; wie sie eine Niere verloren hat, nun mit Krankheiten kämpft, sich am Rande des seelischen und körperlichen Ruins wieder gefunden; Tränen strömen über ein Gesicht, ein Gesicht, wo jede einzelne Furche von Pein und Mühe erzählt, und dessen Antlitz dennoch immer ein Abbild von Würde und Ehrfurcht geblieben ist. Die Frau spricht übrigens, wie sehr viele der alten Menschen hier, wunderschönes Deutsch, und als wir uns verabschieden ruft sie mit tränenreicher Stimme hinterher: ‚Vom Herzen Danke für dieses Essen und all ihre Hilfe’. Der Satz hinterlässt Narben auf unseren Seelen, Gedanken werden wach, wenn manch ohnehin reichlich Begütete – mit derartiger Armut konfrontiert – helfende Hände verweigern, oft auch noch geistreiches wie ‚der/die soll doch arbeiten gehen’ von sich geben; hier, in der beschriebenen Einbahn, jede Industrie ist so lange tot, dass ihre ehemalige Präsenz nur mehr erahnt werden kann, im Abseits des Weltgeschehens, vergessen von den Mächtigen und der Welt; es gibt keine Arbeit, kein Einkommen, nicht mal ein Rettungsfahrzeug; es gibt keine Aussicht auf Veränderung – selbst die leiseste Hoffnung ist nicht mehr als ein Blatt im tobenden Sturm!

Wir sind ob dieser Begegnungen in Gedanken versunken, fast stumm setzen wir den Weg fort; doch wenn wir dachten, dies hier sei der Tiefpunkt der psychischen Talfahrt, wir hatten uns geirrt; Marius führt uns nämlich zu einem alten Mann, der von Krankheit gebeutelt sein Leben in einem winzigen Raum fristet; gefesselt von  körperlicher Schwäche, die wie ein Karzinom an ihm nagt, und der schmerzlichen Nichtexistenz materieller Erleichterung an einem Ort, der wohl schrecklicher kaum sein könnte; sein ganzes Umfeld besteht aus nicht mehr als vier Quadratmetern an Platz, die Waschmöglichkeit ein Plastikbecken, ein Bett aus rohem Holz mit einer zerschlissenen Uralt-Matratze, ein Ofen und ein kleiner Fernseher – das ist alles was geblieben ist von den großen Versprechungen einer neuen Welt! Die Wände in dem Raum sind modrig, die Decke hängt herunter, eine einzelne Glühbirne baumelt wie verlassen vor sich hin. Der Mann kann kaum stehen, niedergeschlagen von jahrzehntelanger Arbeit in der Schwerindustrie, nun festgehalten in einem Umfeld der bestürzenden Misere; die Toilette befindet sich am Hang gegenüber, ein kleines Holzklo mit einer Glastüre vor sich, zernagt von Wind und Wetter, preisgegeben dem unaufhörlichen Verfall, genau wie seine Existenz. So schlecht wie der alte Mann gehen kann, wird wohl jeder Weg dorthin sein persönliches Martyrium, und vor Ironie strotzend doch gleichfalls die einzige Abwechslung des Tages sein….

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Fotos: unvorstellbar; dieser alte Mann, so krank dass er kaum gehen kann, lebt auf ca. 4 Quadratmetern – einziges Gut sind ein alter Ofen, ein kleiner Fernseher und eine Plastikwanne für die Körperpflege – unten rechts die Außentoilette am Hang; Hoffnung? Verblasst!

Unfassbar; es klingen Politikerreden von Wohlstand und Friede für uns alle in den Ohren, wo bleibt hier die Menschlichkeit? Untergegangen im zerfressenen blau-gelben Banner der Union, wo sich die Reichen mehr und mehr in fast unvorstellbare finanziellen Region sonnen, und für die Ärmsten der Armen nicht einmal ein Waschbecken übrig bleibt…wie weit hat es eine Gesellschaft gebracht, wo die wenigen von goldenen Tellern essen und ganz, ganz viele in trostlosen Baracken ein Leben ohne Hoffnung darben? Wo verblassende Erinnerungen das einzige Vermögen darstellen? Ist es nicht grenzenlos naiv, wenn wir, zumindest die hoffnungsvollen OptimistInnen unter uns, trotzdem fortwährend an Gleichheit und Brüderlichkeit, an selbe Chancen für alle, glauben? Ist dieser Glauben nicht das Impfserum der Mächtigen, um deren eigene gülderne Pfründe abzusichern? Hat hier der Kapitalismus nicht völlig versagt, wäre nicht eine kommunistische Gemeinschaft wesentlich besser gefahren? Wäre hier alles beim Alten geblieben, ja, die Menschen wären arm, aber jene völlige Armut, die sich nun für die Randgruppen der Gesellschaft präsentiert, die hätte es vielleicht nicht gegeben. Ich zweifle daran, an Metaphern wie ‚früher war alles besser’, aber wenn mir hier Rudi davon erzählt, so glaube ich ihm ansatzlos…

Wir liefern noch bei mehreren Menschen Essen ab, überall das gleiche Bild – leere Augen im Wettkampf mit leeren Bäuchen, Existenzen, welche von den Zeichen der Zeit gebrochen worden waren, ohne jegliche Möglichkeit, sich den Gegebenheiten einer neuen Gesellschaftsorientierung anzupassen.

Eineinhalb Stunden später sitzen wir in der Caritas-Zentrale und verarbeiten das Gesehene in Gesprächen; waren wir vor Kurzem noch guter Dinge, gefangen in den Eindrücken einer – von den Weg- und Wasserrändern abgesehenen – wunderschönen Natur, wurden wir im Orte Nadrak binnen Augenblicken zurückgeführt in die Hässlichkeit brutaler Tatsachen…

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Fotos: gemütliches Zusammensitzen; dann beginnen die so dringend benötigten Rollatoren vom Dach zu heben; unten: der Anhänger wird entladen, rechts: ein Auto voller Gehhilfen!

Wir beginnen den Bus und den Anhänger zu entladen – bitte sehen Sie die Bilder, es ist eigentlich kaum glaubhaft, wie viel an Waren wir mitgebracht haben, noch dazu an Ware, welche punktgenau für hier gesammelt wurde; Gitti und Gerald haben wahrlich ganze Arbeit geleistet, erneut bewiesen, wie wichtig die Hilfe jeder/s Einzelne/n sein kann. Auch bei Ihnen möchten wir uns an dieser Stelle einmal mehr vom ganzen Herzen bedanken, all die Kleidung und Dinge des täglichen Bedarfs, welche wir nur Dank ihres Engagements diesen Menschen hier mitbringen durften!

Rudi und seine Familie ist nebenbei auch sehr, sehr tierfreundlich; so beherbergen sie im Moment drei Hunde, alle davon mit einer todtraurigen Geschichte; Teddy zum Beispiel, der wolfsähnliche, wurde im angrenzenden Wald gefunden, vor mittlerweile gut 14 Jahren, ausgehungert, ausgestoßen; er ist nicht ungefährlich, zeigt uns zuerst sein Wohlwollen, doch nahezu im selben Augenblick schlägt seine Stimmung um und riesenhafte Zähne zieren hinter zurückgezogenen Lippen sein Antlitz. Wo anders, bei welcher Familie in Rumänien, hätte er mit solch Verhalten wohl ein zu Hause gefunden? Noch dazu, wo ganze Gruppen von armen Kindern an diesem Ort ihre Ferien verbringen dürfen? Aber Teddy lebt in seiner Welt, getrennt durch einen Zaun besitzt er ein gut 1000 qm großes Grundstück, durchsetzt mit Nadelbäumen, Sträuchern, Grasflächen und einem Liegeplatz in Geborgenheit dankt er seiner Familie jeden Tag mit  bedingunglosem Schutz.

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Fotos: die Küche benötigt dringende Modernisierung; wunderschöner Hund…

Natürlich lassen wir auch einige Säcke Hundefutter – Rudi füttert viele der Straßenhunde in der Stadt – im Caritas-Zentrum; dies ist uns einmal mehr nur durch Ihre Unterstützung möglich, wofür wir uns bei Ihnen und besonders auch bei der immer helfenden, so unfassbar bemühten Protected Group Salzburg um die so fantastischen Monika Mittl und Monika Maier (www.fs-protected.com), bei Fressnapf und beim Kremser Tierheim für die so fantastische Unterstützung bedanken möchten!!!!

Wir bekommen ein wunderbares Essen, zubereitet in jener Küche, wo sich immer noch alte Menschen um ihre Portionen anstellen – wie gesagt, insgesamt werden jeden Tag 80 Personen verköstigt! Man kann über die Kirche und ihre Einrichtungen denken was immer man möchte – aber ganz bestimmt dürfen wir auch nicht müde werden zu betonen, dass in ihr auch ganz, ganz fantastische und wunderbare Facetten zur Blüte gelangen und sie an vielen, vielen Orten der Welt Menschen hilft, welche vom Rest der Gesellschaft einfach vergessen worden sind. Also, um im Vokabular der Kirche zu bleiben: vergelt’s Gott hierfür!!!

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Fotos: ein Auszug des Mitgebrachten – Diaprojektoren für die Schulklassen, Windeln für alle Altersgruppen, bis hin zu den neuen Schultaschen und Hundefutter – alles konnten wir ausladen!

Erst am späteren Abend, gegen 17.30 Uhr, verlassen wir Nadrak wieder; innerhalb weniger Stunden, die Begegnungen an diesem Ort sind der Beweis, kann es passieren, dass Menschen so zusammenwachsen, dass daraus eine Bindung für viele Jahre, vielleicht sogar für ein ganzes Leben werden kann – bei Rudi und seiner Familie verspürte ich diese Regung. Wir fallen uns in die Arme, tauschen neben E-Mail-Adressen und Telefonnummern auch noch Emotionen aus, und dann hat uns die Straße wieder.

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Gegen 7 Uhr Abends sind wir mit der Temesuara-Tierschutzfront in der Form der MitgliederInnen von ‚ACT Temesuara’ um die Obfrau Carmen verabredet; die Gruppe ist relativ neu, in Fakt wurde der Verein, obwohl seit mehreren Jahren aktiv, erst vor zwei Monaten offizielle gegründet. Doch schon das erste Zusammentreffen zeigt, hier haben sich Menschen gefunden, welche Dinge ändern möchten – und, wenn die Menschenkenntnis mich nicht völlig im Stich lässt – die Kraft haben werden, Dinge wirklich anzupacken und zu (ver-)ändern!

Wir hören von der Problematik, es soll um die 6 000 Straßenhunde in der Stadt geben; eine Zahl die doch etwas überrascht – im Normalen sind wir ja nur des Nachts hier, und dann auch fast nur im Kloster, um jeweils am nächsten Morgen den Weg wieder fortzusetzen in Richtung Craiova. Aber wenn es auch zahlreiche solcher Anlässen gab, hatten wir nie noch wirklich viele Hunde auf der Straße gesehen, dachte so, das Problem wäre in jener Region weniger ausgeprägt; es sei vorweg genommen, wir konnten die nächsten Tage nutzen, und die traurigen Schilderungen wurden dabei schnell untermauert! Aber in Temesuare, anders als in so vielen anderen rumänischen Städten, könnte die Bekämpfung der Problematik gelingen – denn hier zeigt sich die Stadt gesprächsbereit, unterstützt zumindest einmal verbal Kastrationsprojekte, hat eine strikte ‚NO-Kill-Strategie’ eingeschlagen!

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Foto: vielbeachtete Kundgebung im Zentrum von Temesuara

Diese wunderbaren TierschützerInnen hier, Carmen, die Vereinsvorsitzende, Lavinia, Diana und wie sie alle heißen, leisten Großartiges; so beherbergen sie im Moment über 50 Hunde auf Pflegeplätzen, für welche sie aber allesamt – pro Hund rund 25 Euro im Monat; erinnern wir uns, das Durchschnittseinkommen in Rumänien beträgt um die 250 Euro! – bezahlen müssen; ein eigenes Tierheim, der Traum der Gruppe, ist im Moment noch unfinanzierbar.

Wir unterhalten uns bis spät in die Nacht, dann schlendern wir zu Fuß durch die Stadt, zurück in die Geborgenheit der inzwischen so vertraut gewordenen Klostermauern.

Fortsetzung folgt!

 
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