On the Road again – mit dem Hilfstransport nach Rumänien unterwegs (Teil 2)!

Zu Ende des letzten Newsletters schrieben wir: „Bis 3 Uhr morgens sitzen wir zusammen. Wenn wir das nur nicht bereuen werden…“ Und so beginnen wir also Teil 2 mit:

Was soll ich sagen? Natürlich bereuen wir es! Gegen 8 wachen wir auf, übermüdet, ob den gestrigen Wetterbedingungen mit doch empfindlich niedrigeren Temperaturen als zuletzt, dazu immer wieder Regen, vielleicht auch ein bisschen verkühlt, aber wenigstens frohen Mutes. Ein heißer Kaffee vertreibt recht schnell die bleierne Schwere aus den Knoche, wenn auch nur vorübergehend. Ein wenig noch geben wir uns dem Tratsch hin, dann überprüfen wir die für die heutige so schwierige Mission die technischen Geräte. Fotoapparate, sind da die Batterien geladen, die Speicherkarten in der Kamera? Funktionieren die Funkgeräte, haben wir genügend Powerbank-Strom? Dazu die benötigte Kleidung, Tarnmasken, Handschuhe usw.? Ein kurzes Stoßgebet gen Himmel folgt, dann hat zumindest einige von uns die Fahrbahn wieder. Und es geht für die verbliebenen ktivistInnen in Richtung Südosten, über einsame Landstraßen, tief hinein nach Transsylvanien. Vorbei an unzähligen Schafherden, Rinder auf den Weiden, Pferde. Ja, es ist auf jeden Fall schon so, dass im Karpatenland wesentlich mehr Tiere im Freien sind, als man es von zu Hause aus gewohnt ist. „Hirte“ ist hier noch ein echter Beruf, keine Nostalgie, von wohl doch einigen tausend Menschen ausgeübt. Und man sieht keine Herde ohne den menschlichen Schutz, vom tierlichen gar nicht zu sprechen. Überall erspäht man sie, große, schwere, fellige Wächter, todesmutig und in ihrer Aufgabe gefangen.

Rumänienreise, Teil 2

Fotos, oben: Illegale Müllentsorgung stellt noch immer ein riesiges Umweltproblem dar; unten: Mächtige Agraranlagen finden sich überall, selbst und besonders an den entlegensten Stellen. Zutritt? Hoch gefährlich!

Rumänienreise, Teil 2

Unfassbar viele tote Tiere finden sich auf den Straßen, vor allem Hunde und Füchse. Alle paar Kilometer begegnen wir solchen, ihr Leben ausgehaucht auf dem regennassen Asphalt. Ob einige dieser Unfälle nicht zu verhindern gewesen wären, ich wage es zu bezweifeln. So wie die Leute hier mit dem Auto fahren, mit teils beängstigend weit überhöhter Geschwindigkeit, oft direkt vor Kurven, wo es keinerlei Verlässlichkeit gibt, ob denn nun Gegenverkehr im Anmarsch ist oder nicht, einfach Wahnsinn. Darum passieren auch ganz viele tödliche Crash’s, die unübersehbaren Kreuze und Grabsteine neben den Verkehrswegen zeugen davon.

Es ist eine lange Fahrt; gut 4 Stunden sind die TierrechtsaktivistInnen einmal mehr unterwegs, bis das Ziel in der Ferne auftaucht. Blechummantelte Wälle, davon hören wir in den Berichten, dazu hoher Zaun, gleich in doppelter Ausführung. Wachtürme, Tiernutzstallungen, soweit das Auge reicht. Inzwischen hat auch noch schwerer Regen eingesetzt, was dem Ganzen natürlich keinen Abbruch tut. Vielleicht sogar besser, wird sinniert, so wird das bestimmt recht zahlreiche Personal – geparkte Autos an den dafür vorgesehenen Stellen geben der Annahme recht – bestenfalls lieber in den Unterkünften verweilen, als sich zwischen den Hallen zu bewegen. Außerdem dämpft das zur Erde fallende Nass die Schritte…

Rumänienreise, Teil 2

Was dann passierte, ist Legende. Und wir werden selbstverständlich, sobald wir das Material veröffentlichen können, einen genauen Bericht darüber abgeben. So viel aber darf schon jetzt verraten werden – es ist eine herzzerreißende, unfassbar traurige Geschichte, eine solche, welche sich für immer in ohnehin schwer vorbelastete Gehirne einbrennt…

Tierfarm abgelegen in Rumänien

Foto: Rechts erscheinen sie, die endlosen Hallen der Tierfarm. Bei strömenden Regen, irgendwo im Nirgendwo. Es ist uns bewusst, sollten wir hier erwischt werden, es wäre mit katastrophalen Konsequenzen zu rechnen…

Es wird bald dunkel am Rückweg. Es geht jetzt durch Sighisoara, eine eigentlich recht unscheinbare Ortschaft. Allerdings wartet diese mit einer Weltberühmtheit auf – hier wurde tatsächlich Vlad, der Pfähler, auch bekannt als Graf Dracula, geboren! Und so halten wir schließlich, wandern über geschwungene Wege einen kleinen Berg hinauf, wo sich die Altstadt ausbreitet. Wunderschön, mit engen Gassen, uralten Häusern und jeder Menge Geschichte. Bestimmt Weltkulturerbe, wenn auch nur gefühlt. Vor dem Geburtshaus von Rumäniens bekanntesten Sohn halten wir andächtig, besuchen sogar den Souvenirshop und später auch noch den alten deutschen Friedhof. Wunderschön, nach all dem Stress und der Aufregung des Tages, eine entspannte und sogar sehr lehrreiche Episode des Ganzen!

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2

Fotos: Vlad’s Geburtshaus. Selbstredend werden dort allerlei Souveniers angeboten – leider auch „echte“ Fledermäuse, ausgestopft…

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2

Todmüde und nun bereits im stockdunkeln erreichen wir schließlich Marion’s Haus; nicht zu müde, um noch ein bisschen gemütliches Zusammensetzen zu einer köstlichen Mahlzeit folgen zu lassen, aber alsbald rollen wir uns in die Schlafsäcke und sind dann jede/r für sich alleine mit den eigenen Träumen und Albträumen, verursacht durch das heute Gesehene…

Der Morgen kommt wie immer viel zu schnell. Gut 1000 Kilometer Fahrt liegen vor uns, zurück in die Heimat. 1000 Kilometer wären auch so schon viel, aber wenn dann noch die ersten gut 400 alleine durch die typischen kleinen Dörfer, über Landstraßen und Seitenwege durch das Abseits des Stromes der Geschichte führen, dann ist das eine richtige Aufgabe. Noch dazu mit dem latenten Müdigkeitsfaktor, verursacht durch den Stress des Tages.

Rumänienreise, Teil 2

Vorher aber besuchen wir noch das Tierheim von Robin Hood. Wir hatten schon des Öfteren darüber berichtet, jenes Asyl ist im Prinzip ein zweigeteiltes, wobei ersterer von der Stadt selbst betrieben wird, der andere von der niederösterreichischen Tierschutzorganisation. Wobei, jedermensch weiß Bescheid über städtische Tierheime in Blau-Gelb-Rot, und so übernimmt Frontfrau Marion Löcker auch dort mannigfaltige Aufgaben. Rund 400 Hunde sind vor Ort, und welche Bürde damit einhergeht, man kann es sich sicher leicht vorstellen. Jedenfalls, Robin Hood ist DIE Anlaufstelle in der Region, wenn es um Problemfälle, alte, verwundete, kranke Hunde geht; längst schon wird das Asyl nur mehr in kleinem Ausmaß von „echten“ Straßentieren überhäuft, sondern vielmehr von solchen, welche in ihrem alten zu Hause aus verschiedensten Gründen nicht mehr gewollt sind. Meist ist das Alter oder die Krankheit, warum Menschen ihre vierbeinigen Ex-Lieblinge abgeben. Eine Schande auf der einen Seite, auf der anderen aber muss man froh sein, dass die Armen nicht wie in früheren Zeiten einfach irgendwo ausgesetzt werden; ohne Rückfahrkarte ins Leben…

Auch den Tierarzt der Herberge besuchen wir noch in seiner kleinen Praxis, er, Atilla, mitten in den Vorbereitungen zu einer Wochenend-Kastrationsaktion von Robin Hood!

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2

Fotos: Im Tierheim von Robin Hood tummeln sich bis zu 400 Hunde. Die Aussicht für sie im eigenen Land ein neues zu Hause zu finden, ist gleich null. Deshalb werden wohl viele ihr gnzes Leben hier verbringen. Unten: Die wundervolle Robi, sinnbildlich für das Problem: Es sind nicht mehr die Straßenhunde, welche die Tierheime füllen, sondern ungewollte – weil alte und/oder kranke – Hunde, die einfach so abgegeben werden…

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2

Dann gilt es sich zu verabschieden; eine tolle gemeinsame Aktion haben wir in den letzten Tagen einmal mehr trotz aller widrigen Umstände geschafft, unfassbar mutig, unfassbar wichtig – wir werden in Kürze berichten! Solche Einsätze fordern natürlich ein Versprechen, und jetzt muss auch die dementsprechende Kampagne so richtig in Fahrt kommen. Es steht uns einiges bevor!

Marion fährt uns zur Transitstrecke, dem Ring um die Stadt; dort schlägt sie dann in linke Richtung, zu ihrem neuen zu Hause, ein, wir nehmen die rechte Spur. Noch einmal auf die Hupe drücken, und dann entschwinden die beiden Einsatzfahrzeug dem jeweilig anderen Blickwinkel. Uns hat der Highway wieder, der hier eher einer kleinen Feldstraße gleicht.

Rumänienreise, Teil 2

Der Weg führt nun durch alte rumänische Dörfer, wo Menschen auf Bänken vor den Häusern sitzen und den vorbeirollenden Straßenverkehr beobachten. Fast idyllisch, aber gegen diese Bezeichnung hätten die Bewohnenden wohl etwas einzuwenden. Denn für sie ist es viel mehr eine Belastung, noch dazu im ohnehin harten Alltag, jeden Tag, und der lange Arm der EU, welcher Wohlstand und Arbeit und Fortschritt verspricht, hat sie noch lange nicht erreicht. Ob er das jemals tut – und ob dann die Erwartungen erfüllt oder doch viel eher Träume zerbrochen werden – bleibt abzuwarten.

Rumänienreise, Teil 2

Vorbei an riesigen Schafherden, Hirten lehnen gelassen an ihren Stöcken. Hunde überall, leider auch wieder ganz viele Opfer des Verkehrs an den Rändern. Romasiedlungen reihen sich an Romasiedlungen, Pferdefuhrwerke bremsen die Blechkarossen; bei einem verfallenden typischen Roma“burg“, jene Häuser enormen Ausmaßes mit dutzenden Zwiebeltürmen, Dächern, Säulen und Statuen halten wir kurz. Weil wir ein kleines Pferd erspäht haben, welches an der Kette hängt. Ein etwas dicklicher Mann kommt, will das Fohlen gleich verkaufen. Die Mama ist vor kurzem gestorben, erklärt er, während das Baby an den Fingern zu saugen versucht. Hunde an der Kette, wie überall. Eine Kuh im Garten, ein weiteres Pferd auf der Wiese. Alle an Stricken. Ein zerfallender Stall mit dutzenden Ziegen und Schafen darin. Der Nachbar kommt, er bietet den Kettenhund an; seine weibliche Begleitung fragt nach Geld, zeigt ihren Rücken und ihr Gesäß, wo schwere Brandwunden große Flächen davon überziehen. Letztendlich kommen noch mehr Leute. Wir sollten langsam gehen, tauschen noch Nummern aus; weil wir versuchen wollen, den Schäferhund von dort wegzubekommen. Ein Plan muss dafür her, aber nicht mehr heute. So viel steht fest.

Rumänienreise, Teil 2

Fotos: Alle hätten wir an diesem seltsamen Ort kaufen können – Pferd, Hund, Kuh, Ziege, Schaf… die BewohnerInnen entdecken das Logo am RespekTiere-Mobil und unterhalten sich darüber.

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2

Neben der Straße taucht ein weiterer „Lost Place“ auf, wie es sie hier zu abertausenden gibt. Wir längst vom Virus der Erkundung erfasst.  Von der Fragestellung, was ist die Geschichte dahinter? Was ist passiert, zerbrochene Träume, zerbrochenes Glück? Letztendlich an der Finanzierung des zu Hauses gescheitert? An Streit, an Wut, an Verzweiflung? Von den Elementen zerfressen, versprüht der Bau dennoch oder gerade deswegen hohe Anziehungskraft. Vorsicht allerdings ist der Begleiter der Stunde, denn das Dach und die Decken werden jeden Moment einstürzen…

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2

Fotos: „Lost Places“ strahlen eine seltsame Anziehungskraft aus. Diesen hier wird man wohl nicht mehr lange begutachten können, die Elemente zerren an dessen Existenz. Rechts: Pilzformationen, wie im Märchenland.

Rumänienreise, Teil 2

In einem Dorf mit unfassbar hoher Dichte an Durchzugsverkehr halten wir; vor einem der abertausenden Wahlplakate für die Präsidentschafts- bzw. Nationalratswahl im November. Dort spannt sich das Transparent „Ban all Fur Farms – Stop the shame!“ Als Auftrag an die Polit-KanditatInnen.

Rumänienreise, Teil 2

Ein Welpe überquert die Straße, ein Auto schießt heran. Nur im allerletzten Moment bremst der Fahrer, wir hatten schon die Tragödie vor Augen. Der Kleine wird natürlich gefüttert, aber schon im nächsten Augenblick ist er wieder auf der Straße. Und erneut entgeht er nur knapp dem Tod.  Es ist nicht mitanzusehen, das Hundekind wird noch heute sterben, sollten wir es zurücklassen. So viel steht fest. Felsenfest. Beim nächsten Stopp sitzt er deshalb noch immer im Laderaum des RespekTiere-Mobils.

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2

Foto: Hier, am Ort des Protestes, findet sich der Süße. Überlebenschance beim Zurücklassen? Null. Deshalb brachten wir ihn weg von dort, und er ist jetzt in Sicherheit! RespekTiere-Hilfsfahrt – lebensrettend!

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienreise, Teil 2

Letztendlich erreichen wir die Grenze zu Ungarn. Kilometerlanger LKW-Stau auf der schmalen Landstraße. Wir müssen überholen, was zu einigen sehr gefährlichen Szenen führt, denn für den Gegenverkehr bleibt kaum Platz. Nochmals tanken im doch günstigeren Spritland, dann die Bordercontrol. Alles läuft gut. Und schnell. Und dann sind wir endlich auf einer Autobahn. Auch wenn dieser ungarische Highway alle paar Kilometer unterbrochen ist, weil Baustellen eine Zusammenführung der Spuren verlangen, kommen wir nun doch beträchtlich schneller voran. Ist auch höchst an der Zeit, denn es ist inzwischen schon später Abend. Und wir haben noch immer 600 Kilometer vor uns.

Erst gegen 3 Uhr morgens erreichen wir das erste Zwischenziel in Krems. Müde und geschlaucht. Es gilt noch einige kleinere Arbeiten zu erledigen, dann bleibt sowieso keine andere Wahl. Die weiche Matratze tut unfassbar gut, die Decke über den Kopf und über nichts mehr nachdenken. Ansonsten wird der Schlaf keine Erlösung bringen.

Rumänienreise, Teil 2

Impressionen

Rumänienreise, Teil 2
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Rumänienreise, Teil 2

Foto, oben rechts: Die Vergänglichkeit ist allgegenwärtig!

Rumänienreise, Teil 2

Foto unten: Nach dem schweren REgen sind die Verhältnisse sowieso prekär; der Süße nimmt zudem tatsächlich noch ein echtes Schlammbad!

Rumänienreise, Teil 2
Rumänienhilfsfahrt, Teil 2
Rumänienhilfsfahrt, Teil 2

Foto oben links: Hunderte Lichter am Himmel beweisen – wir sind am Anmarsch auf Österreichs Industriepark „Windkraftanlage“…

Rumänienhilfsfahrt, Teil 2
Rumänienhilfsfahrt, Teil 2
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Foto unten: Oh, wie man es hassen muss… wenn der absolute Schrecken der Massentierhaltung von den Verursachenden auch noch mittels Comiczeichnungen von glücklichen Schweinen verharmlost wird!

Rumänienhilfsfahrt, Teil 2
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