Ukraine, die 5. – Hilfsfahrt, Teil 2!

Die Erwartung bezüglich einer gesteigerte Nachtruhe hält, was sie im Vorfeld erhoffen ließ. Erst gegen 8.20 Uhr weckt der Sonnenstrahl durch das Fenster. 8 volle Stunden Schlaf, wann passierte denn das zuletzt?

Heißes Wasser von der Lobby, Kaffee gemixt, und los geht es! Die Sonne ist wieder wie festgenagelt am Horizont, 35 Grad zeigt das Thermometer alsbald. Rein in die Stadt, wo wir gleich mit einer vielbeachteten Kundgebung beginnen. Cool!

RespekTiere-Proteste inmitten von Uzghorod
RespekTiere-Proteste inmitten von Uzghorod
RespekTiere-Proteste inmitten von Uzghorod

Fotos: Proteste in vielfältigster Form – einmal gegen den Einmarsch Putins, dann wieder für die Tiere, die bei all den Problematiken im Land dennoch nicht vergessen werden dürfen…

RespekTiere-Proteste inmitten von Uzghorod
RespekTiere-Proteste inmitten von Uzghorod
RespekTiere-Proteste inmitten von Uzghorod

Dann zum Flüchtlingszentrum; dort ist zwar heute geschlossen, aber vor dem Gebäude lässt sich durch das WLAN eine Internetverbindung herstellen. Es gilt zu checken, ob Dennis vom „Eulennest“ wie angekündigt tatsächlich die Menschen von einem uns bisher unbekannten Hundeasyl erreichen konnte. Leider nein, aber ein Anruf bei Irina, welche irgendwo im Nirgendwo – wir waren ja schon mehrmals bei ihr gewesen, und jedes Mal sollte die Fahrt durch die Tundra eine spezielle Herausforderung gewesen sein – eine große Hundeherberge betreibt, bringt Erfreuliches zutage. Sie übermittelt die Tierheimdaten, und über die heruntergeladene Landkarte finden wir eine Stunde später das Asyl. Dort, wo die Stadt längst aufgehört hat, über Müllablageplätze hinweg, quer durch die Botanik, dann, wenn man glaubt, hier enden alle Wege, ertönt das Hundegebell. Aus mehr als 200 Kehlen! Wir werden herzlichst empfangen, wie Familie. Wunderschön. Und beginnen schnell zu entladen, der Tag schreitet doch bereits wieder unbarmherzig voran. Was wir uns aber trotzdem nie nehmen lassen, ist eine Wanderung durch die Anlage selbst; Hunde begrüßen folgt, ein bisschen Small Talk, dann ernste Gespräche. Von Problemen ohne Ende erfahren wir. Jetzt, wo der Hilfsgüterstrom mehr und mehr versiegt. So traurig. So schade. Dabei würde man gerade hier jede Unterstützung soooo dringend benötigen. Adoptiert wird nämlich kaum, vielleicht, zwei, drei Hunde im Monat. Aber Neue sind täglich zu versorgen, der Strom hört niemals auf. Die Verhältnisse sind deshalb an mancher Stelle prekär, bei aller Mühe, bei allem Aufwand. Irina hat zwei Helferinnen, das war es dann. Das Trio investiert täglich mindestens je 5 Stunden, Irina selbst wohl 18, 20. Sie ist immer da, muss es auch sein. Sonst würde das Ganze nicht funktionieren können. Keine Chance. Die riesen Gefahr dabei: Auszubrennen. Wenn das passiert, oder eine Verletzung, eine Krankheit, nicht auszudenken. Dann bricht eine ganze Welt einfach so zusammen…

RespekTiere in Irinas Asyl
angekommen in Irinas Asyl
angekommen in Irinas Asyl
angekommen in Irinas Asyl
angekommen in Irinas Asyl
angekommen in Irinas Asyl
angekommen in Irinas Asyl
angekommen in Irinas Asyl

Fotos: Irina und ihr Team leisten Großes, gar keine Frage! Natürlich aber ist es den jungen Frauen nicht möglich, sämtliche Hunde in modernsten Formen unterzubringen; vieles muss daher improvisiert werden!

angekommen in Irinas Asyl

Wir verabschieden uns mit einer festen Umarmung. Und allen Glückwünschen dieser Welt. Durchhalten, lautet die Devise. Anderes gilt nicht. Bei der Verantwortung. Die täglich wächst, während die Kraft langsam schwindet. Man redet aus eigener Erfahrung.

angekommen in Irinas Asyl

Fotos: Das hier ist das neue städtische Tierheim; es wurde gleich neben Irinas Herberge gebaut. Gut, weil die TierschützerInnen nun einen Blick auf die Vorgänge haben, weniger gut deshalb, weil gerade dadurch die Sorgen für die ohnehin völlig Überstrapazierten nicht weniger werden… Unten: Auf den Paletten, ganz in Schwarz, sitzt der „Tierpfleger“, raucht und beobachtet sein Handy.

angekommen in Irinas Asyl

Belastend ist an diesen Plätzen dann auch immer die Stadtentwicklung. Während solche Heime zu Beginn fernab jeder Besiedlung angesiedelt wurden, schleicht sich diese in der Regel in der Zukunft immer näher heran. So auch hier. Nur mehr ein halber Kilometer trennt die Zivilisation von der Herberge, und an der Zufahrt, dort, wo früher ebenfalls nur Büsche und Bäume waren, stehen heute – nur ein Jahr später – bereits riesige Wohnsiedlungen. Selbstredend vor allem wegen des Flüchtlingsstroms. Uzghorod hatte vor dem Krieg etwa 100 000 Einwohnende. Jetzt, zwei Jahre später, sind es bereits rund 130 000 bis 140 000. Tendenz stark steigend.

Zudem, in direkter Nachbarschaft wurden neue Zwingerreihen errichtet. Von der Stadt. Ebenfalls schon voller Hunde. Wir sehen einen Roma-Mann, der sitzt und raucht. Dabei, so sicher wie das Amen im Gebet, sollte er sich um die armen Tiere kümmern. Ob die bei jener Konstellation nicht viel zu kurz kommen, es ist die Frage. Und ob letztendlich sie dann nicht irgendwann von Irina mitbetreut werden müssen, weil das vielleicht einsetzende große Sterben nicht mehr erträglich ist, wird sich alsbald weisen.

In Gedanken versunken kämpfen wir uns durch Wüste und Dschungel zurück in die Zivilisation. Finden die richtige Straße, finden den Weg. Ganz ohne Navi. Sehr cool, Bis zur Grenze nötigt es uns noch gut eine gute Stunde ab, dann finden wir uns einmal mehr wieder im Zollverkehr. Fuck. Trucker über Trucker. Sämtliche Verkehrswege verstopft, alle warten auf Ausreisepapiere. Das ewige Anstehen. Wie gerne hätten wir darauf verzichtet. Aber einmal mehr gibt es mehr Glück als Unglück. Wieder helfen LKW-Lenker, wieder helfen Zöllner, wieder umarmt uns ein Soldat mit umgehängten Maschinengewehr. Emotionen pur. Letztendlich ist der Stempel im Pass, die Papiere zumindest halbwegs in Ordnung. Wir sehen die EU-Grenze vor uns, doch die Freude ist eine kurze. Slowakische Beamte haben etwas gegen eine zu schnelle Überquerung der imaginären Linie, und so braucht es inklusive der kompletten Durchsuchung des RespekTiere-Mobiles zusammen mit dem Behördenweg auf ukrainischer Seite erneut fast vier volle Stunden, bis uns der Highway wiederhat…

Rueckfahrt aus der Slowakei 7

Fotos: Die Grenzformalitäten nötigen uns einmal mehr mehrere Stunden ab; das Auto wird sogar gänzlich untersucht – aber das soll ja auch so sein, schließlich befinden wir uns an einer EU-Außengrenze!

Rückfahrt aus der Ukraine, Grenze
Rueckfahrt aus der Slowakei 40
Rückfahrt aus der Ukraine, Grenze

Die Zeit drängt; wir müssen noch in das Asyl von Janka, wo das wertvolle Flohmarktgut verstaut wurde! Aber auch das findet sich jetzt schnell. Langsam kennen wir die Gegend wie die berühmte Westentasche. 🙂  Christine und ich entladen noch so einige Hundeleckerlies, welche wir tatsächlich genau für diesen Zweck rückgeschmuggelt hatten , und gehen auch hier ein letztes Mal für diese Fahrt durch die Reihen. Fast 300 Hunde. Allesamt herzallerliebst. Aus ihren eisernen Fesseln werden es dennoch nur die wenigstens schaffen, was uns zutiefst betrübt. Aber immerhin mehr als bei Irina, denn hier dürfen durch die Mithilfe mitteleuopäischer Organisationen doch einige in den noch immer „Goldenen Westen“; weil ja kein „Eiserner Vorhang“ dazwischen ist. Wenigstens etwas. Nochmals: Was Irina drüben leistet, Janka hier, es ist einfach nur unfassbar. Menschen, denen beim genaueren Hinschauen Flügel verliehen wurden. Von oberster Stelle…

Jankas Asyl in Slowakei 11

Fotos: Auch zu der wunderbaren Janka haben wir noch ein paar Leckerlies und dergleichen bringen können; die ZollbeamtInnen waren zwar skeptisch (warum bringt jemand Hundefutter von der Ukraine in die Slowakei?), aber hatten dann nichts dagegen!

Jankas Asyl in der Slowakei
Jankas Asyl in der Slowakei
Jankas Asyl in der Slowakei

Ein Stück des Rückweges möchte heute noch zurückgelegt werden. Die Sonne zieht sich nun langsam hinter den Horizont zurück, wir durchqueren einsamste Landstraßen, über Hügel und Täler, endlose Agrarindustrie. Felder, so weit das Auge reicht. Traktoren, eingehüllt im Staub. Alles viel zu trocken. Der Fluch der neuen Zeit. Wo Kriege wegen Wasser immer mehr aus dem Science Fiction-Bereich ausgeladen werden, die Realität rückt näher und näher. Wird beim Anblick ringsum vorstellbar. Kaum eine Ansiedlung über weite Strecken. Natur unterbrochen von ärmsten Siedlungen, wo allerdings ein emsiges Treiben herrscht. Romadörfer, mit viel Romantik versehen, aber bei genauerem Hinsehen bleibt alleine der Schrecken. Der Schrecken über so viel Armut inmitten der Europäischen Union. An all ihren Rädern. Unverändert.

Staubwüste Agrarfeld

Fotos, oben: Staubwüste Agrarfeld! Unten: Romasiedlungen entlang des Weges; wir ersparen Einzelheiten über die prekären Verhältnisse…

Rueckfahrt aus der Slowakei 16

Gegen 20 Uhr erreichen wir die gestern gesuchte Herberge. Gebucht hatten wir nicht, und zum großen Glück sind Räume frei. Für 20 Euro können wir uns einquartieren, in saubere, nette Zimmer. Mit eigener Küchenzeile sogar, nur schade, dass wir nichts zum Kochen mit uns haben. Aber für Kaffee muss es reichen, und dann ist die Welt eh schon wieder ein bisschen mehr in Ordnung….

Rueckfahrt aus der Slowakei 11
Rueckfahrt aus der Slowakei 10

Fotos: Bevor wir in die Berge kommen, präsentiert sich das Land landwirtschaftlich gepägt.

Der kleine Familienbetrieb ist ein wirklich netter Ort; irgendwo im Nirgendwo zwar, aber was wir erst später bemerken sollen: Es gibt in der Nähe einen weithin bekannten Nationalpark, der wohl viele TouristInnen anzieht. Darum überhaupt nur wird die Herberge hier errichtet worden sein!

Der Bruder zeigt uns die Zimmer, ruft dann Vater und Schwester, welche die Betten überziehen und die Räumlichkeiten reinigen. Währenddessen sitzen wir im kleinen Garten und genießen die Ruhe. Die Entspannung, welche nach dem so unendlich langen Tag endlich einkehrt.

Rueckfahrt aus der Slowakei 2

Die Nacht ist eine gute. Gewitter ziehen auf, vertreiben die Restwärme und gepaart mit dem aufkommenden Wind versprüht die natürliche Klimaanlage Wohlfühltemperaturen. Leider aber kommt der Morgen viel zu schnell. Nachdem wir noch die leider zahlreichen Streunerkatzen gefüttert haben, sitzen wir auch schon wieder im RespekTiere-Mobil. Eine Romasiedlung, an der wir gestern noch vorbeigefahren sind, wiederzufinden, gelingt leider nicht, dafür fotografieren wir mehrere Kuhställe. Wovon die meisten der Tiere auf großzügige Weiden ausweichen können, andere leben in riesigen Laufställen.

Kühe in der Slowakei
Kühe in der Slowakei
Rueckfahrt aus der Slowakei 20
Kühe in der Slowakei

Fotos, oben: Da sagt noch einmal jemand, Kühe würden in der Sonne bleiben, selbst wenn Schatten vorhanden ist! Rechts sieht man welche, aber die Erleichterung ist diesen durch einen abtrennenden Zaun versagt. Links, mit der Möglichkeit, bleibt keine Kuh unter der direkten Einstrahlung! Unten: Noch ein Protest im Land!

Protest am Weg

Die Sonne brennt erneut heiß vom Himmel. Ein Blick auf das Navi verrät, die Fahrt führt knapp an der polnischen Grenze vorbei. Kurzum fällt die Entscheidung: Die halbe Stunde Umweg nehmen wir gerne in Kauf, für einen Tierrechtsprotest im slowakischen Nachbarland. Die Straße dorthin zieht sich allerdings, das ging aus der Navigation nicht so klar hervor, über Serpentinen hinauf in die Berge. Hohe Tatra. Wunderschön. An Ruinen entlang des Weges halten wir, ein bisschen „Lost Places“-Feeling lockert die Anstrengung. Der Übergang über die imaginäre Trennlinie ist ein unspektakulärer, nur die andersfärbigen Straßenschilder verraten, dass wir uns bereits im Heimatland einer anderen Nation befinden.

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Fotos: Die wunderschönen Tatra-Berge im Hintergrund; dann überschreiten wir die Grenze zu Polen!

Rueckfahrt aus der Slowakei 28

Überall Ströme von TouristInnen. Wohin all die Wege hinein in die Wälder wohl führen? Sicher ist die Gegend überreich an Naturdenkmälern. Leider aber gibt es hierfür für uns zu wenig Zeit. Kurz halten wir in Zakopane. Der vielleicht berühmteste Ort Polens präsentiert sich völlig überlaufen. Stand an Stand, Kitsch aus Holz, Kitsch aus Wolle, Kitsch aus Schaffell. Ja, auch das haben wir bereits persönlich beobachten dürfen – kaum mehr Kühe bevölkern die Wiesen und weitläufigen, uneingezäunten Weideflächen, dafür jetzt umso mehr Schafe. Bewacht von Hirten und riesigen Hütehunden. Was aber leider herzzerreißend auffällig ist – in den Herden ist bei genauerem Hinsehen schnell erkennbar, dass es immer wieder Tiere gibt, welche offensichtlich an Krankheiten oder Verletzungen leiden. Ein Schaf zum Beispiel versucht zu flüchten, als wir uns annähern. Es schafft es aber nicht auf die Beine und robbt schließlich auf den vorderen Knien über den Boden… Was mit solchen Armen wohl passiert, welches Schicksal sie erwartet? Selbst mit wenig Vorstellungskraft Gesegnete werden diese Frage beantworten können…

Polen-Eindrücke
Rueckfahrt aus der Slowakei 31

Bald stehen AktivistInnen in Hundemaske am Straßenrand. Der Banner „Eating Meat Kills“ und später „Stop Killing Stray Dogs“ flattert im Wind, die Proteste werden vom Gehupe vorbeibrausender Autos begleitet. Wie gemeint, wir wissen es nicht so genau, es macht aber dann auch nicht den großen Unterschied. Das Ziel von Kundgebungen ist immer das Aufmerksammachen auf eine Situation, und das gelingt eindrucksvoll.

Polen-Eindrücke
Polen-Eindrücke

Fotos: Links, bei der Zufahrt ins Spezialitätenrestaurant; Oben: Verkaufsstand reiht sich an Verkaufsstand – Schafwolle das Hauptprodukt touristischer Interessen?

Polen-Eindrücke

Der Tag schreitet erneut erbarmungslos voran. Bald überqueren wir nun aber auch schon wieder die Grenze in die Slowakei, nur, um uns in stillstehenden Verkehr wiederzufinden. Zäh. Megastau bei 34,5 Grad.

Es bleibt Zeit für ein bisschen Netzsurfen im Auto. Die Nachricht „Russland überzieht fast die gesamte Ukraine mit Raketenhagel“ lässt uns tief erschüttert zurück. Tatsächlich hatten wir im Vorfeld gelesen, dass China’s Staatsmacht seine BürgerInnen zum Verlassen des Landes aufgefordert hatte, weil Putin angeblich den Unabhängigkeitstag zu Angriffen nutzen würde. An jenem waren wir dann vor Ort, es bleib alles ruhig. Heute ist dies offenscihtlich anders. Und wir sind wohl gerade noch rechtzeitig raus aus dem Land…

Protest kurz nach der slowakischen Grenze

In Bratislava halten wir nochmals. Vor einem Kebab-Laden steht dann ein/e RespekTiere-AktivistIn mit dem Schild „Eating Meat Kills“. Der erstaunte Inhaber beobachtet uns, unternimmt jedoch keine Schritte zur Abstellung des Protestes.

Protest kurz nach der slowakischen Grenze
Rueckfahrt aus der Slowakei 36

Es ist Nacht, als wir die Grenze nach Österreich überschreiten. Kurze Kontrolle „unserer“ BeamtInnen, dann geht es Richtung Wien. Die riesigen roten Augen an den Windrädern begrüßen uns, ein sicheres Zeichen, das RespekTiere-Mobil ist wieder in der Heimat. Was für eine Reise, die da zu Ende geht. Und sogleich den Beginn der nächsten markiert…

Windräder an der Autobahn bei Nacht
OMV-Anlage bei Nacht

Und noch ein paar Reiseimpressionen

Steinbruch in der Slowakei
Tom an der Grenze
Lost Places erkunden
Ukrainisches Wasserball-Team
Christine im Lost Place
Rueckfahrt aus der Slowakei 13
Hunde im Heim von Janka
Tom begrüßt einen Hund
Christine im Asyl
aus dem Stein wächst ein Baum
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