respekTIERE IN NOT-Einsatz in der Slowakei – von Emotionen und den ganz besonderen Momenten…

Aufgrund der vielen Ereignisse der letzten Zeit sind wir Euch einen Bericht schuldig geblieben – jenen von unserer letzten Slowakei-Hilfsfahrt! Hier ist er!

Fast die ganze Nacht hindurch hat es geregnet gehabt. Nun lässt der Niederschlag langsam nach und der Himmel beginnt sich zu lichten. Langsam und zaghaft zeigt er schon kleine bläuliche Spots, vom Azurblau wohl meilenweit entfernt, aber dennoch ein leises Versprechen. Obwohl, für diesen zweiten Teil der Reise wäre es eigentlich gerade und punktgenau jetzt ohnehin das perfekte Wetter. Die Nacht zuvor hatten wir auf halbem Weg in Niederösterreich verbracht, dort eine ganze Menge an hoch willkommenen Hilfsartikeln zugeladen: Für die Hunde von Sloboda Szvierat, „Freiheit für Tiere“, unserem Partnerverein im östlichen Nachbarland (www.solobodaszvierat.sk) sowieso, aber erneut werden wir bei der Gelegenheit dann auch wieder das so großartige Obdachlosenhaus von VinzentDePaul zu unterstützen versuchen. Ein fast magischer Ort der Nächstenliebe, wo täglich weit über 200 Menschen ein Nachtquartier finden, wo es zu essen gibt, Kleidung zu tauschen, ärztliche Hilfe, einen Fernsehraum und dergleichen. 1 Euro ist der Preis hierfür, weil „wenn etwas gänzlich gratis gibt, dann ist es für viele Menschen nichts wert“.  Sogar unter toxischer Einwirkung werden potentielle Hilfesuchende aufgenommen, sei die nun aufgrund von Alkohol oder Drogen zustande gekommen Ein Punkt wo sich die Einrichtung dann von fast allen ähnlichen unterscheidet; in Österreich beispielsweise gibt es dem Wissen nach keine einzige, wo ein solcher Gemütszustand akzeptiert wird (hier so lange, bis man nicht auffällig wird; streitet man, oder kämpft sogar im beeinträchtigten Zustand, dann bleiben die Türen künftig verschlossen. Einen Wehmutstropfen gibt es aber leider auch – vierbeinige Begleitende sind nicht erlaubt, weshalb besonders in Winterzeiten viele Menschen mit ihren tierlichen GefährtInnen zwar zum Essen kommen, sich aber später in den Büschen der Umgebung zum Schlafen hinlegen…

Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei

In der Slowakei spürt man die Krise stärker noch als in den meisten anderen Ländern Europas. So stark, dass viele der täglichen Gäste sogar einer geregelten Arbeit nachgehen, sich aber trotzdem weder Wohnung noch den täglichen Einkauf leisten können. Sie sind alle willkommen, in einer Einrichtung einer Hauptstadt, wo es Schätzungen zufolge mehrere Tausend Obdachlose gibt.

Einsatz in der Slowakei

In Wien steigt schließlich Alex zu, respekTIERE IN NOT-Veteran seit vielen, vielen Jahren; einmal mehr gemeinsam werden wir den Rest der Strecke bewältigen. So geht es bald vorbei an der stählernen Riesenarmee aus Windrädern, Stahlkolosse, die wie mächtige Soldaten das Umland patrouillieren. Unsere Gier nach Elektrizität hat den letzten Widerstand gebrochen, und so ist aus weiten Teilen des einst mystischen pannonischen Beckens inzwischen ein Industriepark geworden, beherrscht von Rotorblättern, welche den Wind zerschneiden. Als „grüne Energie“ ist der Ertrag an uns verkauft, doch wird übersehen, dass zu ihren Füßen kaum Leben möglich ist. Zumindest alle „Fluchttiere“ sind längst verschwunden, die Bedrohung aus der Luft alleine gebildet aus dem Schatten, der sich in unglaublicher Geschwindigkeit über die Grasflächen ergießt, wieder und wieder, ohne Ende und ohne Anfang, hat sie vertrieben. Und wie viele Insekten werden wohl täglich Opfer der Luftdurchschneidung, wie viele Vögel, wie viele Fledermäuse? Zudem, Grasflächen? Die sind ebenfalls durchzogen von riesigen Betonausgießungen, Fundamente, ohne welche die stählernen Monster keine Standfestigkeit hätten. Letztendlich werden wir vielleicht grüne Energie haben, aber für den Preis einer völlig verschandelten und verbauten Natur. Schöne neue Zeit.

Einsatz Bratislava

Dennoch, die trüben Gedanken wollen wir für das erste hintenanstellen; wir haben es uns zur Aufgabe gemacht zu helfen, und dabei nützt es nichts, sich am Weg dorthin an Dingen aufzureiben, welche wir zumindest heute nicht ändern werden können. So verliert sich die Skyline der Megacity – übrigens, Ihr wisst es bestimmt, die zweitgrößte deutschsprachige des Planeten nach Berlin – bald im Rückspiegel, der Flughafen ebenso, und wir sind verschluckt von der Ostautobahn. Ein Fahrzeug unter abertausenden, alle der Fahrenden und Beifahrenden am Weg zu verschiedenen Schicksalen.

Einsatz Bratislava

Hie und da wagt sich nun ein bisschen die Sonne heraus, zudem ist es spürbar wärmer als an den letzten Tagen; wo in Salzburg sowieso der Dauerregen herrschte, Temperaturen von knapp über 10 Grad, aber selbst im Osten, dann in Niederösterreich, hat sich der Sommer klammheimlich zurückgezogen. Nicht, dass wir böse deswegen wären, ganz im Gegenteil – die heiße Jahreszeit war sowieso dauerpräsent, mit ihrer inzwischen zerstörerischen Hitze, welche dann das gesamte Leben ringsum aufzusaugen schien. Kein Entkommen, trotz der zumindest „bei uns“ durchwachsenen Periode ist der allgegenwärtige Klimawandel zutiefst spürbar. Fast 55 Grad in Indien und Pakistan lassen aufhorchen – es ist genau diese Tendenz, welche aller Wahrscheinlichkeit nach unser künftiges Leben mehr und mehr bestimmen wird…

Entgegen allen anderen bisherigen Fahrten bemühen wir heute nicht die Ostautobahn; da unser Treffpunkt im Norden von Wien lag, nutzen wir die Gunst der Stunde und nähern uns über die Bundesstraße unserem Nachbarland an. Auch hier führt der Weg vorbei an endlosen Feldern, aber eben auch durch größere und kleinere Ortschaften; auffällig im positivsten Sinne ist, dass ganz viele der landwirtschaftlichen Grünflächen im Gegensatz zu früher nun von Blumenwiesen eingerahmt sind, wo nicht bis zum allerletzten Zentimeter an den Rand der Wege herangeackert wurde. Alex weiß auch den Grund hierfür – eine EU-Bestimmung schreibt einen gewissen Prozentsatz von Brachflächen vor. Zumindest ein schöner Ansatz!

Einsatz Bratislava

Gegen Mittag erreichen wir die Grenze; österreichische BeamtInnen kontrollieren, die „Gegenseite“ verzichtet auf den Einsatz. Von der unsichtbaren Linie weg sind es nicht viele Kilometer hinein in die Slovakia-Metropole. Die präsentiert sich dann hektisch und gestresst wie eh und je, mit erbrechendem Verkehr und multiplen Baustellen. Eine Skyline beherrscht von Kränen.

Einsatz in der Slowakei
Einsatz Bratislava

Das erste Ziel soll das Obdachlosenheim von VincentDePaul sein; wie oft sind wir nun schon dort gewesen, aber aus irgendeinem Grunde tun wir uns heute immens schwer, den überlebenswichtigen Gebäudekomplex überhaupt nur zu finden. Zuerst führt uns das Navi in die Irre, dann versagt der eigene Orientierungssinn. Zu guter Letzt, mit einer Verzögerung von mindestens einer Stunde, taucht der Ort dann endlich doch vor uns auf; obwohl das Asyl erst um 6 abends öffnet, warten schon eigne Menschen vor dem Tor. Wir nutzen den Hintereingang, parken das RespekTiere-Mobil im Innenhof und finden alsbald eine Sozialhelferin. Eine sehr nette noch dazu! Gemeinsam entladen wir den Van, bis sich ein großer Haufen mitgebrachtes Hilfsgut im Inneren türmt. Super, alles wird ganz dringend gebraucht, versichert uns die junge Frau. Sie bietet uns schließlich auch eine kleine Führung durch die Räumlichkeiten, und obwohl wir das schon so oft gemacht haben, ergeben sich dabei stets neue Perspektiven. So erfahren wir Ansätze von Lebensgeschichten von herzlichen Gästen, die hier verkehren; manche davon seit einigen Jahren, ununterbrochen. Weil die Wirtschaftslage schlecht ist und das Geld knapp, weil sich ganz viele einfach keine Wohnung mehr leisten können. Obwohl sie täglich einer Arbeit nachgehen, obwohl sie eine Pension erhalten. Oft sind das aber nur 200 oder 300 Euro, in einer Umgebung, welche ein ähnliches Preisniveau aufweist wie wir es aus dem eigenen Land kennen… Wir hören von Zwistigkeiten, wobei etwas überraschend der meiste Streit nach den Angaben der Sozialarbeiterin nicht zwischen Männern, sondern eher noch zwischen den Frauen passiert. Die wären auch unversöhnlicher, hören wir. Tragödien geschehen, Menschen sind im Schlafsaal gestorben, einfach nicht mehr aufgewacht. Drogen als riesiges Problem jeder Metropole, der Alkohol sowieso. Alte Menschen mit Tuberkulose, die, obwohl sie Familie irgendwo außerhalb haben, plötzlich nirgends mehr unterkommen. Außer hier.

Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei

Es gibt Duschen, Gemeinschaftsräume, eine kleine Bibliothek, einen großen Fernseher, ein Esszimmer; Räume alleine für Frauen, andere für behinderte Menschen, wieder andere für solche ohne Suchtproblemen. Ebensolche genau für jene. Ein gewaltiger Ort. Ein Ort der Nächstenliebe. Ein Ort des Überlebens, buchstäblich. Ohne eine Floskel zu bemühen… Die Uhr schreitet unbarmherzig voran; ja, wir müssen weiter, sonst lässt sich das zusätzliche Programm wohl nicht mehr schaffen.

Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei
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Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei

Ganz in der Nähe, eifrige Newsletter-LeserInnen wissen es, gibt es eine alte, vergammelte, verrostete Fabrik. Dort werden in Zwingern einige große Hütehunde gehalten, stolze Riesen. Allerdings gebrochene auch. Sie vegetieren seit vielen Jahren unter unwürdigen Zuständen, nur helfen kann man ihnen kaum. Ihr Halter ist ein hoch aggressiver Mann, der unsere steten Fütterungsexzesse nicht goutiert. Im Gegenteil, erwischt er uns, gibt es wirkliche Probleme. Deshalb agieren wir stets schnell und möglichst präzise. Hinfahren. Dosen auf, Futter reinkippen, später mit Trockenfutter einen kleinen Vorratshügel anlegen. Als Nachspeise werden Kaustangen und dergleichen serviert. Es ist nicht viel, aber dennoch ein Moment des Glücks. Die grauen Riesen kennen uns längst, erwarten uns jeweils mit überfreudigem Gebell. Was natürlich auch den Halter alarmiert. Aber das unbeschreibliche Gefühl, die Freude in den Augen der Burschen über die so hoch willkommene Abwechslung zu sehen, lässt uns das Gefahrenmoment der Situation gerne in Kauf nehmen. Heute allerdings, nach all den Jahren, sind – die Zwinger leer! Sollen wir uns darüber freuen? Eigentlich schon, aber warum erklimmt dann diese bedrohliche Empfindung das Herz, schnürt den Brustkorb ein? Was mit ihnen geschehen ist, wir werden es wahrscheinlich nie erfahren; ob sie noch am Leben sind, Gott gebe es. Jedenfalls werden wir sie nie vergessen…

Einsatz in der Slowakei

Als nächstes steht ein Protest am Programm; bald schon sehen erstaunte PassantInnen an einer stark befahrenen Straße im Stadtzentrum Gevatter Tod, der an seiner Botschaft lehnt: Stop Killing Stray Dogs – NOW!!!

Einsatz in der Slowakei

Nun geht es ins Tierheim unserer Partnerorganisation „Sloboda Szvierat“, „Freiheit für Tiere“; auch hierüber haben wir schon viele Zeilen verfasst, und immer wieder nötigt uns das Asyl bloß die höchsten Töne ab. Der Platz ist wunderschön gepflegt, es gibt jede Menge Infotafeln zu allen nur erdenklichen Problematiken im Zusammenhang besonders mit Hunden, aber auch zu anderen Tieren. Kleine Ausstellungen über das Schicksal von Kettenhunden, von Zuchthunden, von Straßenhunden lesen wir. Trainingsplätze für die Vierbeiner, eine kleine Katzenstation, ein Veterinärbüro. Ein öffentlicher Raum, ebenfalls mit einer wundervollen Ausstellung geschmückt. Und viele Hunde. Die meisten davon in eher großzügigen Gehegen, immer mehrere der ihren. Manche in kleineren Unterkünften, darunter im Moment ganz viele Staffords und Bull Terrier. Genau wie bei uns dürfte sich die Dramatik um diese Gruppe zuspitzen.

Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei
Einsatz in der Slowakei
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Die so netten Mitarbeiter helfen uns schließlich den Van zu entladen. Viel haben wir gebracht, an Hundenahrung, an Leinen, Brustgeschirren und dergleichen. Und kleine Köstlichkeiten sowieso; von den Hundekeksen bis hin zu den Kaustangen.

Einsatz in der Slowakei
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Einsatz Bratislava

Es ist dann schon später Nachmittag, als wir das Shelter wieder verlassen. An einem großen Parkplatz entdecken wir einen Imbisstand. Döner werden serviert. Den Moment nutzen wir ebenfalls; „There is no excuse for animal abuse“, verrät ein großes Spruchband. Während Gevatter Tod mit starren Blick die vorbeiziehende Masse mustert. Und der Betreiber des Ladens uns erste böse Blicke zuwirft. Auch einige Gäste scheinen ihren Unmut bald kaum noch im Zaum halten zu können – ein sicheres Zeichen: Es wird Zeit, die Zelte abzubrechen…

Einsatz in der Slowakei

Bald hat uns der Highway wieder. An der Grenze gibt es einen kurzen Stau, Vater Staat will die Pässe kontrolliert wissen. Nur, der Beamte ist tief in einer Unterhaltung verstrickt, ohne aufzublicken winkt er uns durch.

Die Luft kühlt langsam ab, als wir die ersten Hochhäuser von Wien erkennen. Erste Schatten ziehen über das Land und langsam neigt sich ein besonders ereignisreicher und wichtiger Tag seinem Ende entgegen. Zufrieden sind wir mit dem Geschehen, nachdenklich, ein bisschen traurig. Aber andererseits auch heilfroh darüber, dass wir so viel an Hilfe bereitstellen konnten. Dank Eurer Unterstützung, ohne die all das niemals möglich wäre – fühlt Euch hierfür ganz fest umarmt!!!

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