Halten „Tierwohl-Programme“ in der Milchindustrie was sie versprechen? Neue Bilder unterstreichen die Zweifel!

Gedanken zum Weltmilchtag

Es ist ein zugegeben schwieriger Pfad, auf welchem Österreichs Molkereien da wandeln; auf der einen Seite gibt es hochgesteckte Vorgaben und durchaus ambitionierte „Tierwohl“-Programme, auf welches man auch ziemlich selbstbewusst setzt; auf der anderen Seite jedoch erweisen sich die selbstgesteckten Vorgaben überhaupt nur dann möglich zu erreichen, wenn rigoros durchgesetzt und peinlichst genaue Kontrollen miteinhergehen.  Vertrauen alleine in die Milchbetriebe ist gut, genügt aber nicht. Besonders dann nicht, wenn in jeglicher Werbung sämtliche „Tierwohl-Programmpunkte“ als umgesetzt angeführt werden.

Kühe an der Kette im Stall in Salzburg

Foto: Kühe an der Kette – eine unerträgliche Haltung, welche unserer Meinung nach sämtliche Molkereien Österreichs künftig und in jeder Form, also auch in der Kombination, verbannen müssen. Wenn nicht, dann wird nämlich jegliches „Tierwohls-Versprechen“ von vornherein der Unglaubwürdigkeit preisgegeben (nur zur Klarstellung: Sämtliche Bilder in diesem Artikel wurden in den letzten Tagen aufgenommen, sind sozusagen druckfrisch).

Ein Beispiel: Der Gesetzgeber verlangt bei einer „Kombihaltung“ – also Kette gepaart mit „Freilauf“ – zumindest 90 Tage im Jahr, wo sich das Rind frei bewegen können muss. Selbstredend, in der Werbung (wo man nebenbei niemals Ketten sieht, Anm.) tut die Kuh dies fast zu 100 % dann auf Wiesen und Weiden, dazu meist im alpinen Gelände. Also auf der Alm. Im Text steht jedoch, „Auslauf oder Weide“. Jetzt würde uns das Verhältnis zwischen Auslauf und Weide interessieren. Orientiert man sich nach dem Bild, welche die Werbeindustrie in unsere Köpfe setzt, dann müsste der bloße Auslauf auf Beton ja ganz eindeutig nur eine Ausnahme in der Haltung darstellen. Tut er das? Mitnichten, es ist wohl viel eher genau umgekehrt…

 Apropos „Auslauf“: Ein solcher kann dann ein oft nur ein paar Quadratmeter großer Zubau am Stall selbst sein, der noch dazu nur in selten Fällen allen dort beherbergten Kühen gleichzeitig Platz bietet. Wie aber gestaltet sich nun tatsächlich der prozentuelle Anteil zwischen den beiden Möglichkeiten“Auslauf und Weide“ – wo zweitere ohne jede Frage für die Kuh erfüllender sowie im modernen Wortgebrauch „artgerechter“ ist – darüber finden zumindest wir keine Statistiken, keine Zahlen. Warum wohl?

Kühe an der Kette im Stall in Salzburg

Fotos: ein Anblick, den man leider noch immer viel zu oft sieht – Kühe an der Kette, der minimale Auslauf leer; und das bei allerbestem Wetter!

Alleine ein weiterer Punkt sorgt für Diskrepanzen; und hier finden sich MilchkundInnen in einer echten Glaubensfrage wieder. Es wird nämlich noch wesentlich komplizierter, oft haben wir folgende Aspekte bereits angesprochen (und nie eine wirklich schlüssige Antwort erhalten, Anm.). Ein Beispiel? Wie überprüft man, ob beim bloßen Auslauf – welchen wir jetzt einmal kindlich naiv als die Hauptform im Zusammenhang ausloten – wirklich jede Kuh im Stall regelmäßig, also gesetzlich verpflichtend 90, etwa bei der Salzburg Milch dann mindestens 120 Mal im Jahr, von der Kette kommt? Glauben Sie uns, dieser Punkt kann kaum und wird auch nicht überprüft werden. Wer jetzt anderes behauptet, dem oder der unterstellen wir einen „voreingenommenen Zugang zu Fakten“. Wer also garantiert, dass jemand, der, bleiben wir beim Beispiel SM, bis zur Partnerschaft – und das waren ganz bestimmt ganz viele der rund 2 400 Höfe – seine Kühe wie selbstverständlich dauerhaft an der Kette hielt, jetzt ein Problem damit hat, zumindest einen Teil davon weiterhin in 24/7-Fesselung zu behalten? Worauf wir hinauswollen: Der von der Molkerei vorgschriebene Auslauf eignet sich fraglos dazu, dem Umfeld zu signalisieren, dass hier die Kühe zumindest zeitweise von der Kette kommen. Das ist vornehmlich sein Zweck. Sieht „KundIn“ drei, vier Kühe dort, wird sie kaum fragen, „und wird da so gewechselt, dass sämtliche Kühe im Stall an den posaunten Tagen von der Kette dürfen?“ Nein, viel mehr „Vorgaben erfüllt“, schreit der bloße Zubau Betrachtenden entgegen. Nun, wir sind alle nur Menschen, wie man so schön sagt, also: Ganz bestimmt gibt es jetzt in jedem Stall Kühe, die gutmütiger sind und solche, die sich nach dem Funken der Freiheit nicht so gerne wieder anketten lassen. Wer also garantiert, dass diese Kühe dann trotzdem nicht ausgepart werden, alleine wegen der damit einhergehenden „Arbeitserleichterung“ für die Landwirtschaftsbetreibenden?

Kühe an der Kette im Stall in Salzburg

Foto: eine Stufe weiter, aber auch das gehört zumindest diskutiert – müssen Ausläufe tatsächlich so oft derart verschmutzt sein? Und warum hat die Kuh das Halfter; ist sie im Stall daran festgebunden?

Solche Fragen sind keine Kleinigkeiten; sie dürfen nicht auf die leichte Schulter oder gar übergangen übergangen werden. Denn sonst wird selbst die best gemeinte Herzeige-Initiative ganz schnell, gelinde gesagt, unglaubwürdig. Zur reinen Beruhigungsmethode einer heute dem Himmel sei Dank gesteigerten Empfindung der Allgemeinheit dem Tierwohl gegenüber, zum Vorspielen einer schöneren Welt geeignet, aber einen tatsächlichen Fortschritt punkto Tiehaltung bringend? Eher nicht.

Nein, alleine schöne Worte können nicht das Ende der Fahnenstange bedeuten.

Kühe an der Kette im Stall in Salzburg

Wobei, selbst jetzt nicht sind wir am Ende Besagter in Punkto „Kritik“ angelangt; denn erneut, niemals kann wirklich umfassend garantiert werden, dass versprochene 90 oder sogar 120 Tage überhaupt nur eingehalten werden. Wie denn auch? (Anm.: Und selbst wenn, was bleibt übrig? 275 bzw. 245 Tage im Jahr an der Kette… nicht mehr und nicht weniger)

P.S.: Noch skurriler wird die Angelegenheit, wenn jemand, wie es RespekTiere so oft getan hat, Betriebe meldet, wo Anrainer behaupten, noch nie wäre dort eine Kuh im Freien gewesen – und man sich dann viel zu oft mit kaum nachvollziehbaren Entgegnungen konfrontiert sieht. In Fakt passiert es tatsächlich auch, dass Fragende/r genau das hört, was sonst aus den Stammtischkehlen kommt: „Vielen Kühen gefällt es sogar viel besser an der Kette; lässt man sie herunter, wollen die sich gar nicht bewegen“. Aha, sie fühlen sich offenbar sogar wohl damit. Na, wenn das so ist!

Kuhflüsterer, sie wissens eben.

Kühe im völlig verschmutzten Auslauf

Foto: Und nochmals zurück zum Auslauf oder zur Box – auch das müssen wir beim Milchanbieter zur Sprache bringen: Darf die Box so voller Kot sein?

So, sie meinen, jetzt hätten wir aber sämtliches Unüberprüfbare aufgearbeitet? Leider immer noch nicht; denn, 120 Tage sind nicht „120 Tage“. Es gibt da ein kleines Zusatzwörtchen, nämlich „an“. Übrigens treffen selbige Kritikpunkte selbstredend auch auf die staatlichen Vorgaben zu. Dort heißt es ebenfalls nicht „90 Tage“, vielmehr lesen wir „an 90 Tagen“. Was zwei Buchstaben für einen Unterschied ausmachen können… Nirgends nämlich wird tatsächlich die Dauer eines vermeintlichen Freiganges geregelt. 24 Stunden pro Tag sind es, soweit lehnen wir uns aus dem Fenster, sowieso und zu 100 % niemals. Aber ab wievielen würde es passen? Wenigstens 12 Stunden? Oder genügen 8? 6? 2? Jedenfalls, die suggerierten 33,3 % des Jahres gehen sich da nie und nimma aus. Oft, wir werden es vorrechnen, sind es am Ende des Tages sogar nicht einmal 1 %…

Ein Rechenbeispiel, welches wir im Artikel „Das Dilemma im Kuhstall“, nachzulesen unter https://www.respektiere.at/2023/01/20/das-dilemma-im-kuhstall-warum-die-kombi-haltung-niemals-tierwohl-sein-kann/ bereits eingehend besprochen hatten; dort stellten wir folgende Kalkulation auf:

„Aber es kommt noch schlimmer: denn der Gesetzestext sagt ja nicht „90 Tage“, sondern „an 90 Tagen“. Was ein kleines Wörtchen doch für einen Unterschied ausmachen kann! Denn selbst wenn nun tatsächlich in dieser Periode die Ketten fallen, dann genügt theoretisch eine Zeitspanne von Minuten. Nirgends nämlich wird die Dauer erörtert. Rechnen wir als neu und gehen wir hierfür einmal von 30 Minuten aus. Mal 90 Tage sind das 2 700 Minuten, also 45 Stunden. Bei 120 Tagen errechnen wir ganze 60 Stunden. Im Jahr. Welches aus 8 760 Stunden besteht. 45 Stunden aus fast 9 000 sind dann ein gutes halbes Prozent; 60 nicht mehr als 0,75 % – im Vergleich zu den suggerierten 33 ein zu vernachlässigender Faktor, zu 25 nicht minder.“

Dabei, auch das wollen wir klarstellen, glauben wir gar nicht, dass das ganz große Problem die Dauer ist; denn werden die Kühe erst einmal von der Kette gelassen, wäre es wahrscheinlich der größere Aufwand, sie danach ganz schnell wieder anzuhängen. Aber so oder so, von kommunizierten 120 oder 90 Tagen bleiben in jedem Fall insgesamt nur höchstens ein paar wenige über. Und auch das grenzt dann schon an eine Täuschung der KonsumentInnen; oder geht darüber hinaus. Dennoch, der Fokus liegt für uns stärker auf dem überhaupt von der Kette lassen – und dass das ausreichend geschieht, dafür muss unserer Meinung nach nicht der Tierschutz den Nachweis bringen, sondern alleine der Landwirt und die Milchgesellschaften. Passiert es aber? Können wir uns sicher sein? Aus Sicht der jetzigen Regelungen betrachtet gibt es darauf nur eine einzig zulässige Antwort: Sowas von nicht nämlich…

Kühe im völlig verschmutzten Auslauf

Foto: Weil es sich aufdrängt – Problem detto! Tatsächlich „ganz normal“? Wenn Kuhbauer das behauptet, dann darf er/sie sich aber auch nicht wundern, wenn die Vertrauensbasis eine geringe ist…

Fakt ist, es gibt viele Milchbauern, welche sich selbstverständlich an die Vorgaben halten und ihre Kühe entsprechend der Bewerbung gut halten. Die, alles andere wäre aber auch aboluter Wahnsinn, mehr Ahnung von Rindern haben, als wir (deswegen führen wir diesen Punkt an dieser Stelle an, weil man als tierrechtsaktiver Mensch von Landwirten immer wieder mit solchem Schwachsinn konfrontiert wird; was soll damit ausgesagt werden? Dass diejenigen, welche sich berufsmäßig jeden Tag mit den Kühen befassen müssen, Dinge über diese wissen, welche andere vielleicht nicht bedenken? Ja, aber alles andere wäre ja auch ein unfassbares Armutszeugnis an den eigenen Berufsstand, oder? Aber dennoch, wie dem auch sei, Fragen stellen, dass werden Nicht-Kuh-Haltende trotzdem dürfen, und besonders dann, wenn da jemand das Produkt seiner oder ihrer Arbeit an jene verkaufen möchte; möchte man zumindest meinen, oder? Zusätzlich, was Landwirtschaftsbetreibende auch verstehen müssen, ist, dass selbst Menschen, welche nicht jeden Tag mit Kühen zu tun haben, sehr wohl den Unterschied zwischen „Tierwohl“ und „Tierleid“ erkennen können… Vielleicht sogar noch eher, weil eben nicht betriebsblind – was eine nicht zu unterschätzende Gefahr ist.

Anbindekühe in Salzburg

Foto: Noch einmal – Kettenhaltung ist ein Relikt aus dem Mittelalter, einer modernen Tierhaltung unwürdig. Landwirte sprechen im Zusammenhang mit  „Labormilch“ von einem Horrorszenarium; aber wieviel mehr Horror ist denn überhaupt möglich, als andere Lebewesen für die Gewinnung deren Körpersaftes ein Leben lang an die Kette zu hängen???

Fakt ist jedenfalls auch, es gibt eine Menge anderer; solche, die nach der „ich mach das schon seit 30 Jahren, ich lass mir nicht vorschreiben, ob ich meine Kühe raus lass oder nicht“-Mentalität ihren Umgang mit den Tieren einrichten (ja, ob es passt oder nicht, so haben auch die Sklavenhalter im Vor-Bürgerkriegszeitalter in den USA argumentiert, wenn es um Menschenrechte für die ihnen Ausgelieferten ging; Maßstäbe, welche man vor 30 Jahren angelegt hat, sind nun mal heute längst überholt. Wer das nicht einsieht, der oder die hat den Beruf verfehlt, Anm.). Trotz Versprechungen, trotz Verträgen. Bei einem kürzlichen Anruf meinte ein solcher gar, es bedeutet auch nichts, wenn Kühe sehr schmutzig wären. Weil, sie (die Tiere, Anm.) kennen den Unterschied nicht zwischen sauber und dreckig; sie würden sich, weil sie eben nicht zum Denken fähig sind, selbst bei der Möglichkeit im Stroh zu liegen auch genauso gut und genauso gerne in die eigenen Fäkalien legen. Und es wäre ihnen völlig gleich. Sie haben kein Sauberkeitsempfinden und im Prinzip auch gar kein Gefühl.“ Hört man so etwas, fragt man sich, wie darf ein solcher Mensch überhaupt nur Tiere halten? Gibt es hierfür keine Regelungen, keinen „Eignungstest“? Gibt es leider nicht. Und genau darum passieren die „Einzelfälle“, die aber leider ganz offensichtlich – ein Blick auf die Seiten der Tierrechtsvereine entblößt diese Tatsache eindrucksvoll – an der Tagesordnung stehen. Und genau darum müssen Gesetzte sein, welche dann allerdings auch dementsprechend durchgesetzt werden müssen. Und wer sich nicht daran hält, der oder die muss ausgeschlossen werden. Und was anderes tun. Erdäpfel pflanzen, beispielsweise. Das ist nicht einmal ironisch gemeint. Weil es hier um so viel geht. Nicht „nur“ um Tierleid alleine. Sondern auch um Menschlichkeit. Und was bleibt von uns, wenn wir diese verlieren? Nichts als eine Hülle.

Kuh im Stall an Ketten

Foto: Heute, in Zeiten gesteigerter Sensibilität dem Mitgeschöpf gegenüber, ist es nicht einfach herzzerreißend, sie so zu sehen? Strick und Kette um Hals und Nacken, die Bewgung auf Aufstehen und Niederlegen beschränkt. Die frage stellt sich: Wie hält TierhalterIn diesen Anblick jeden Tag stand? Eine andere Erklärung als „Betriebsblindheit“ finden wir hier bei allem Bemühen nicht; oder, dann wohl noch schlimmer, durch Hartherzigkeit. Aber so eine wollen wir wirklich niemanden unterstellen.

Deshalb: Keine Vorgaben mehr, die nicht überprüfbar sind! Was bedeuet, es gibt in Punkto künftiger Kuhhaltung nur einen Weg – weg mit den Ketten! Je früher, je schneller, desto besser!

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